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Der Fluch der Hebamme

Titel: Der Fluch der Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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und fast alle Ordensritter hingerichtet. Dann eroberten die Sarazenen Jerusalem, Askalon, Akkon und fast alle anderen Städte und Burgen, die bis dahin den Christen gehörten. Es heißt, ihr Anführer Saladin sei unbesiegbar … Der Bischof sagt, Gott strafe uns mit diesen Niederlagen und diesem furchtbaren Feind für unsere Sünden.«
    »Saladin ist ein kluger und entschlossener Gegner, der es geschafft hat, die sich bekriegenden Völker unter seiner Führerschaft zu einen. Nun gebietet er über zweihunderttausend Mann in Waffen, die ihm bedingungslos folgen«, erwiderte Dietrich. »Doch vielleicht ist der Verlust Jerusalems nicht nur die Strafe für unser sündiges Verhalten, sondern auch für unsere Torheiten. Statt zusammenzustehen, zerfleischen sich die Christen untereinander. Templer liegen im Streit mit den Hospitalitern, der englische König mit dem französischen, so dass keiner von ihnen es wagt, sein Land zu verlassen, während der andere zurückbleibt. Und der Streit zwischen Staufern und Welfen wird uns bis ins Heilige Land verfolgen, wenn nicht ein Wunder geschieht!«
    Überrascht sah Thomas zu dem Grafen von Weißenfels. Das waren nicht die Worte, die er von jemandem erwartet hatte, der dreißig Ritter auf diesen Kriegszug führte. Wenngleich Dietrich angespannt wirkte und in diesem Moment älter, als er war – es schien offensichtlich, dass sein hartes Urteil gründlich durchdacht war.
    Wie zur Bestätigung fuhr er fort: »Der einstige König von Jerusalem, Guido von Lusignan, ist auf dem Thron ebenso unfähig wie auf dem Schlachtfeld. Der Anführer der Tempelritter, Gerhard von Ridefort, starrsinnig und ohne Vernunft. Ihre unglückseligen Entscheidungen führten zur vernichtenden Niederlage des christlichen Heeres vor fast zwei Jahren bei den Hörnern von Hattin. Damals wurde die größte christliche Streitmacht im Heiligen Land vollständig aufgerieben; von dreißigtausend Mann überlebten kaum zweihundert. Das besiegelte den Fall Jerusalems. Der Rat erfahrener Männer wie Raimund von Tripolis und der Barone von Ibelin wurde zurückgewiesen. Und der Einzige, der es noch schafft, den letzten wichtigen Ort für die Christenheit zu verteidigen, die Hafenstadt Tyros, der sogar eine Seeschlacht gegen Saladin gewann – Konrad von Montferrat, ein Vetter des Kaisers –, kämpft dort allein. Weil er auf Seiten der Staufer steht, wollen ihn weder die Ordensritter noch die Anhänger des englischen Königs unterstützen.«
    Fassungslos blickte Thomas auf den Mann, dem er in den Krieg folgen wollte. Beinahe schämte er sich dafür, so wenig darüber gewusst zu haben, was im Heiligen Land vor sich ging. Aber Jerusalem war viel zu weit weg von Meißen, als dass solche Nachrichten zu einem einfachen Ritter oder Knappen hätten durchdringen können. Und kein Prediger, der die Menschen aufforderte, das Kreuz zu nehmen, würde etwas dermaßen Haarsträubendes eingestehen.
    »Willst du nun immer noch mit dem Kaiser ins Heilige Land ziehen?«, fragte Dietrich.
    Thomas begriff, dass er mit dieser ernüchternden Einschätzung der Lage, die gewiss nicht für jedermanns Ohr bestimmt war, geprüft wurde.
    »Ja«, antwortete er nach leichtem Zögern. Auch wenn er selbst viele Dinge in Frage stellte und Graf Dietrich durch seinen Rang Dinge erfuhr, die ihm verwehrt blieben – es durfte einfach nicht so hoffnungslos sein, wie es sich eben angehört hatte! Warum sonst sollte Dietrich das Kreuz genommen haben? Nur, weil er als zweitgeborener Sohn keine andere Aussicht hatte, Ruhm zu erlangen? Oder um als Pilgerfahrer geschützt vor den Angriffen seines Bruders zu sein?
    »Dann lass uns beten, dass der Kaiser Jerusalem bei guter Gesundheit erreicht«, meinte Dietrich eindringlich. »Vielleicht schafft
er
es ja, ein geeintes fränkisches Heer zum Sieg zu führen.«
     
    Mit Dietrichs Erlaubnis und guten Wünschen ging Thomas in die Kirche der Marktsiedlung unterhalb der Burg und kniete vor dem Bildnis der Jungfrau Maria nieder. Sein Schwert – das seines Vaters – hatte er Roland zur Aufbewahrung gegeben.
    Es gab eine Menge nachzudenken, bevor er reinen Herzens die Beichte ablegen konnte.
    Ohne Augen für die Umgebung zu haben, starrte Thomas vor sich auf den Fußboden, als könnte er dort die Antworten auf seine vielen Fragen lesen. Dabei versuchte er, alle Zweifel zu verbannen, die Dietrichs schonungslose Worte in ihm geweckt hatten. Welche Hoffnung gab es noch, wenn nicht die auf Erlösung am Grab Jesu?
    Er hatte

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