Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Fluch der Hebamme

Titel: Der Fluch der Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
Vom Netzwerk:
deinem vorlauten Entschluss und der Entscheidung des Kaisers. Wie soll ich deiner Mutter gegenübertreten, falls dir etwas zustößt? Wie soll ich mich vor deinem Vater rechtfertigen, wenn ich ihm im Jenseits begegne?«
    So hart hatte Thomas den jungen Grafen noch nie reden hören. Er hatte sich wohl davon täuschen lassen, dass Dietrich recht vertraut mit Lukas und Marthe umging, weil er mehrere Jahre in Christians Haushalt zugebracht hatte.
    Doch er war nicht nur Ottos Sohn, sondern auch Albrechts Bruder – und vermutlich ebenso zu Zornesausbrüchen fähig wie diese beiden.
    Beklommen suchte Thomas nach den richtigen Worten. »Mein Stiefvater und meine Mutter ahnten schon, dass es so kommen könnte, und gaben mir ihren Segen.«
    Aufatmend lehnte sich Dietrich zurück. »Ja, das hätte ich mir denken sollen. Lukas hat es vorausgerechnet, und deine Mutter hat es vorausgesehen. Trotzdem muss ich dich fragen: Hast du dir deinen Entschluss wirklich gut überlegt? Wir werden monatelang durch Wüsten ziehen, einem übermächtigen Feind entgegen. Du wirst töten müssen, oder du wirst getötet. Bist du dir dessen bewusst?«
    »Ja, Herr«, antwortete Thomas.
    »Weshalb hast du das Kreuz genommen?«
    »Um die Heilige Stadt und das Wahre Kreuz zurückzuerobern«, antwortete Thomas verwundert. Waren nicht alle hier deshalb zu dieser beschwerlichen Reise aufgebrochen?
    Da Dietrich nichts sagte, sondern ihn nur prüfend ansah, fügte er hinzu: »Um meine Familie zu schützen. Ich gelte nun zu Hause als Verfemter und würde sie in Gefahr bringen. Als Wallfahrer stehe ich unter dem Schutz des Papstes, und das Urteil Eures Bruders ist ausgesetzt.«
    Als Dietrich sich nach wie vor nicht äußerte, wusste er, dass er auch seinen geheimsten Grund preisgeben musste. »Um einer Gemeinschaft von Rittern anzugehören, einer wahrhaft verschworenen Gemeinschaft, die für ein Ziel zusammensteht …«
    Dietrich sagte nichts dazu, sondern lenkte das Gespräch unversehens in eine andere Richtung. »Was denkst du über den Ausgang der Audienz beim Kaiser?«
    »Dass Euer Bruder Fürst Otto freilassen muss, ist gut«, sagte Thomas, einigermaßen überrumpelt. »Aber niemand weiß, wie der König nun entscheiden wird. Es ist so etwas … wie ein halber Sieg, schätze ich …«
    »Es gibt keine halben Siege«, erwiderte Dietrich mit sarkastischem Lächeln. »Auch wenn Albrecht meinen Vater freilassen muss, wird der König ihn nicht zur Rechenschaft ziehen. Außerdem wird Heinrich bald Männer brauchen, die ihm Truppen stellen. Mag sein, er benötigt sie in Sizilien. Oder gegen den Welfen, falls der Löwe aus dem Exil zurückkehren sollte, um die Herrschaft an sich zu reißen. Irgendwo wird bald wieder Krieg im Kaiserreich geführt, und zu viele kaisertreue Kämpfer sind nun unterwegs nach Jerusalem. Deshalb kann es sogar von Vorteil sein, wenn du außer Reichweite meines Bruders bist. Aber du musst dir vor Augen halten, dass du vielleicht nie wieder in die Mark Meißen zurückkehren kannst, solange mein Bruder dort regiert, wenn du dich unter meinen Befehl begibst.«
    »Dessen bin ich mir bewusst«, sagte Thomas, ohne zu zögern.
    Dietrich aß etwas von dem kalten Fleisch, das auf dem Tisch lag, und bot auch Thomas davon an. Doch dieser lehnte höflich ab. Bis zu seiner Schwertleite am nächsten Morgen würde er fasten, wie es die Regeln geboten.
    »Du isst jetzt, und dein Fasten beginnt, nachdem du dein Inneres erforscht hast und bereit bist, die Beichte abzulegen«, wies Dietrich an.
    Gehorsam nahm sich Thomas etwas von dem Huhn. Er dachte erst, keinen Bissen hinunterzubekommen. Doch dann merkte er, wie hungrig er war. Seine letzte Mahlzeit war fast einen Tag her, und die nächste würde er wohl erst morgen zu sich nehmen können, nachdem er in die Gemeinschaft der Ritter aufgenommen war. Sofern er überhaupt als würdig dafür angesehen wurde – denn daran kamen ihm mittlerweile Zweifel.
    Da Dietrich nichts sagte, sondern ihn nur nachdenklich beobachtete, schwieg auch Thomas. Der Regen trommelte immer heftiger auf das Zeltdach, und kleine Rinnsale verwandelten den Boden allmählich in Morast.
    »Was weißt du darüber, was im Heiligen Land geschehen ist?«
    Der angehende Ritter zuckte mit den Schultern. »Nicht mehr, als jeder weiß … Die Unsrigen wurden bei dem Berg Hattin vernichtend geschlagen, das Wahre Kreuz fiel in die Hände der Ungläubigen, König Guido und die Großmeister der Templer und Hospitaliter wurden gefangen genommen

Weitere Kostenlose Bücher