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Der Fluch der Hebamme

Titel: Der Fluch der Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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auch so schon genug nachzudenken, um mit Gott und sich ins Reine zu kommen, damit er befreit von allen Sünden in den Ritterstand erhoben werden konnte. Nur mit ein paar Ave-Marias würde es diesmal wohl nicht getan sein, bei all dem, was er zu beichten hatte: unkeusche Gedanken bei der Erinnerung an die hübsche Schankmagd in der letzten Herberge, in der sie übernachtet hatten … eigentlich mittlerweile beim Anblick fast jeder halbwegs ansehnlichen Frau, den Hass, den er einen halben Tag lang gegenüber seinem besten Freund empfunden hatte … nicht zu vergessen die Lüge, dass er sich als Bote ausgegeben hatte, um von Döben fliehen zu können.
    Am meisten Kopfzerbrechen bereitete ihm jedoch der angebliche Hilferuf Hedwigs, den Dietrich als Vorwand genommen hatte, um dem Kaiser von den Ereignissen in der Mark Meißen zu berichten.
    Wer einer Lüge nicht widersprach, war selbst ein Lügner. Doch abgesehen davon, dass sich seine Familie Ottos jüngerem Sohn besonders verbunden fühlte – konnte er dem Weißenfelser so vergelten, dass dieser durch seine klug formulierte Antwort über Thomas’ Herkunft erst ermöglicht hatte, dass er in die Ritterschaft aufgenommen wurde?
    Sollte er besser morgen vor aller Augen auf seine Schwertleite verzichten, weil er der Ehre nicht würdig war?
    Man würde ihn für einen Feigling halten und mit Schimpf und Schande davonjagen. Welche Folgen das für seine Eltern und seine Geschwister haben würde, wollte er sich gar nicht ausmalen. Ganz zu schweigen davon, dass damit vermutlich auch Lukas’ Versuch scheitern würde, die Folgen von Albrechts Herrschaft zu mildern, bis Otto wieder die Regentschaft übernahm.
    Durch die hohen Fensteröffnungen fiel bereits Sternenlicht, als jemand hinter Thomas mehrfach hüstelte. Unwillig über die Störung, fuhr Thomas herum. Als er einen jungen, müde wirkenden Benediktinermönch vor sich sah, dessen Tonsur nicht genau in der Mitte des Kopfes saß, senkte er entschuldigend den Kopf und rutschte ein Stück zur Seite, damit der junge Bruder neben ihm niederknien konnte.
    Doch der Neuankömmling blieb stehen und sah verunsichert zu ihm herab.
    »Seid Ihr der Freiberger, dem morgen das Schwert umgegürtet werden soll?«, fragte er leise, um die Betenden nicht zu stören, die in einiger Entfernung von ihnen knieten.
    Thomas blickte ihn verwundert an und nickte.
    »Dann findet Euch bei Tagesanbruch im Zelt des Bischofs von Meißen ein. Hochwürden selbst erweist Euch die Ehre, Euer Beichtvater zu sein.«
    Noch ehe Thomas eine Frage stellen konnte, hatte sich der junge Mönch abgewandt und schlurfte mit hängenden Schultern davon.
    Jetzt aufzuspringen und ihm nachzurennen, würde sich wohl nicht geziemen. Abgesehen davon waren seine Beine schon steif vom langen Knien. Also versuchte Thomas, sich einen Reim auf diese Angelegenheit zu machen.
    Weshalb erwies Bischof Martin ihm diese Ehre, obwohl er doch nur der unbedeutende Stiefsohn eines Ritters ohne Land war? Weil sich im Lager herumgesprochen hatte, der Kaiser selbst habe entschieden, einen Meißner in den Ritterstand zu erheben?
    Martin herrschte über das Bistum seit beinahe zwanzig Jahren – Thomas’ ganzes bisheriges Leben.
    Während seiner gesamten Ausbildung auf dem Meißner Burgberg hatte er den Kirchenfürsten stets nur von weitem zu sehen bekommen, wenn dieser an besonders hohen Festtagen die Messe im Dom feierte. Er schien sich in all dieser Zeit kaum verändert zu haben: ein hochgewachsener Mann mit wachem, ja durchdringendem Blick, dessen Miene nichts von seinen Gedanken preisgab, seinem Gegenüber jedoch das Gefühl vermittelte, ihn vollkommen zu durchschauen.
    Auch jetzt, im Feldlager der Kaisers, war Martin stets von einflussreichen Männern umgeben, die einem Außenstehenden kaum mehr als einen Blick aus der Ferne auf ihn erlaubten. Ganz zu schweigen von seiner zwei Dutzend Mann starken Leibwache.
    Mit der Entscheidung, den Kaiser ins Heilige Land zu begleiten, hatte Bischof Martin viele überrascht. Es war kein Geheimnis, dass er trotz seines würdevollen Auftretens verbissen darum kämpfte, seine Macht zu vergrößern und sich gegenüber dem Markgrafen durchzusetzen. Jahrelang hatten die beiden um den Schockzehnten einiger markgräflicher Dörfer gestritten. Martin hatte den Streit gewonnen und durfte nun diese Abgaben erheben.
    Was will Bischof Martin?, überlegte Thomas. Darf ich ihm trauen?
    Etwas bei der Beichte zu verschweigen – noch dazu vor einem Bischof –, war

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