Der Fluch der Makaá
hatte, die Stimme, die mir einen Strich durch unseren geplanten Griechenlandurlaub gemacht hatte. Aber böse war ich Rico de Silva schon lange nicht mehr. Schon gar nicht nach dem heutigen Tag!
„Aber Rico, seien Sie doch vernünftig. Sie können diesen Abdruck doch nicht schönreden und glauben Sie mir, er wird nicht verschwinden, wenn wir ihn ignorieren!“, schimpfte mein Vater. „Wir haben eine Spur. Begreifen Sie doch.“
„Señor Feldmann, ich versichere Ihnen, ich wünsche mir den Matisse ebenso zurück wie Sie. Aber das, was wir haben, ist keine Spur. Es ist ein zufälliger, unvollständiger Abdruck irgendeines Gegenstandes. Wir wissen nicht einmal, wie er auf die Rückseite des Bildes gelangt ist, und wir werden auch nie herausfinden können, wer ihn hinterlassen hat.“
„Wir nicht, aber vielleicht die Polizei!“, gab Juan Santos leise zu bedenken.
„Ach, das glauben Sie doch selbst nicht!“, patzte Rico und warf verzweifelt die Hände in die Luft. „Auf welcher Seite stehen Sie eigentlich, Juan? Haben Sie denn etwa keine Zeitung gelesen? Die stecken doch mit dem ganzen kriminellen Pack unter einer Decke!“
„Auf einen Versuch käme es an, oder?“, warf mein Vater ein. Rico de Silva atmete tief durch, um seine Erregung in Zaum zu halten. „Señor Feldmann, mal ganz im Vertrauen: das Museum hat mit der Fälschung schon genug Ärger am Hals. Wollen Sie uns noch zum Gespött der Straße machen?“
„Aber das Symbol…“
„Señor Feldmann, Juan und ich sind uns in diesem Punkt einig, habe ich recht Juan?“ Señor Santos nickte etwas zögerlich, doch Rico fuhr zufrieden fort, als hätte er die volle Zustimmung von seinem Kollegen erhalten. „Die paar Konturen und Striche reichen bei weitem nicht aus, um ein Symbol in sie hinein zu interpretieren. Ehrlich, ich hätte gerade Ihnen eine objektivere Sichtweise zugetraut.“
„Ähem ... Ich hoffe, wir stören nicht!“ Meine Mutter räusperte sich demonstrativ. Sie meinte, der Diskussion nun lange genug gelauscht zu haben, um zu erkennen, wer Oberhand gewinnen würde. Die Männer schreckten zusammen und blickten drein wie kleine Jungen, die bei etwas Verbotenem erwischt worden waren. „Hallo meine Süßen. Natürlich stört ihr nicht“, erwiderte mein Vater mit einem bittersüßen Lächeln. „Wir sind eh gerade fertig geworden. Ähm… Wie war euer Tag?“
D ie Odalisque hing in einem korridorähnlichen Saal. Man hatte sie von ihrem ursprünglichen Platz abgenommen und zu diesem etwas ruhigeren Ort gebracht. Nur zwei Gäste befanden sich mit mir im Raum, und so hatte ich genügend Zeit, mir die Dame in den roten Hosen einmal näher anzuschauen. Da meine Brüder sie bereits kannten und meine Eltern sich in den letzten Tagen mit nichts anderem als mit ihr beschäftigt hatten, suchte ich die Frau in Öl allein auf.
Barbusig und leger hatte es sich die Odalisque auf einer schmalen Liege bequem gemacht und blickte mit einem derart wachen und dennoch entspannten Gesicht auf ihre Besucher herab, als wollte sie sie persönlich fragen: Was schert ihr euch nur um mich? Ich habe lange genug getanzt, nun gönnt mir doch die Pause .
Das dunkle Haar war in einen zartblauen Schleier gehüllt, dessen Farbe sich in der Vase auf dem kleinen Tischchen sowie in den Vorhängen wiederholte. Besonders bestechend jedoch war das Rot, das fast die gesamte untere Bildfläche einnahm. Matisse hatte diesen warm und kräftig leuchtenden Farbton, der jeden Betrachter in seinen Bann ziehen musste, für den Teppich und die Pluderhosen gewählt.
„Es ist gut gemalt, nicht wahr?“, schreckte mich eine Stimme aus meinen Gedanken hoch. Juan Santos stand plötzlich hinter mir, die Arme hinter dem Rücken verschränkt, und blickte mit Wehmut auf das gefälschte Gemälde. Ich nickte leise. Ein Unterschied zum Original wäre mir bestimmt nicht aufgefallen, selbst wenn ich es gekannt hätte. Die Pinselführung, so wie ich es von meinem Vater erklärt bekommen hatte, war die eines Profis. Nur wenige Bilder von Matisse waren mir bekannt, doch die tiefe Wirkung, die sie bei mir hinterlassen hatten, empfand ich auch bei diesem Werk.
„Woran habt ihr erkannt, dass es eine Fälschung ist?“, raunte ich ihm zu. Ich musste leise sprechen, denn die beiden Besucher waren noch im Saal.
Juan blickte geheimnisvoll. „Es war nicht einfach es herauszufinden, das Gesamtbild ist zu bestechend, zu real. Doch hat man erstmal eine Schwachstelle gefunden, so findet man weitere, bis das
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