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Der Fluch der Makaá

Der Fluch der Makaá

Titel: Der Fluch der Makaá Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Talbiersky
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Werk bei kritischer Betrachtung in wertlose Einzelteile zerbröselt. Siehst du den leicht gräulichen Schatten hinter dem Schleier der Odalisque? Man könnte meinen, er sei mit dem Tuch verschmolzen, und das Auge will dir weismachen, er gehöre hierher. Doch das tut er nicht. Matisse hatte auf den Schatten verzichtet. Ebenso wie auf den blaugrünen Streifen an den Vorhängen, der in der Hintergrundfarbe der Wand beinahe verloren geht. Es fällt nicht auf, doch zählt man genau nach, so sind es sieben Streifen! Das Original hat nur sechs.“
    „Und um das herauszufinden, habt ihr meine Eltern gebraucht?“, wunderte ich mich. Auch wenn die geringfügigen Veränderungen nicht gerade offensichtlich waren, so müssten sie doch auch jedem anderen Kunstkenner aufgefallen sein.
    Juan winkte ab. „Nein. Diese Merkmale haben auch unsere Mitarbeiter schon festgestellt. Doch deine Eltern kennen Matisse wie keine anderen. Du musst wissen, die Odalisque mit roten Hosen entstammt einer ganzen Serie von Bildern. So gibt es noch die Odalisque mit Tamburin, die Odalisque mit erhobenen Armen und die Odalisque mit silberfarbenen Hosen, um nur einige zu nennen. Es ist nicht bekannt, wie viele Bilder Matisse zum Thema orientalische Kultur gemalt hat, und da sowohl die Farbgebung als auch die Pinselführung meisterhaft sind, bestand eine geringe Chance, dass es sich um ein anderes Original handelt. Ein anonymer Hinweis jedoch verstärkte den Verdacht auf eine Fälschung. An dieser Stelle kamen deine Eltern ins Spiel, und sie haben den Verdacht bestätigt. Nun ist es also Gewissheit: Die Odalisque mit roten Hosen von Matisse ist verschwunden und übrig bleibt nur diese Kopie.“
    „Wie traurig“, murmelte ich. „Was passiert jetzt?“
    „Wir haben den Fall den zuständigen Behörden übergeben und Anzeige erstattet. Jetzt heißt es abwarten und beten, dass die Presse noch ein gutes Haar an dem Sofia Imber Museum lässt.“ Juan seufzte laut. „Die Pressemitteilung ist erst heute Morgen rausgegangen, doch seither klingelt das Telefon ununterbrochen. Ich fürchte, wir haben es bis morgen auf die Titelseite jeder einzelnen Zeitung in Caracas geschafft. Es ist so ein Jammer.“
    Dass die Presse das Thema ausschlachten würde, daran hatte auch ich keinen Zweifel. Ich fragte mich, ob Karina schon etwas von der Sache mitbekommen hatte. Vielleicht war sie aber auch schon gar nicht mehr in Caracas, sondern hatte ihr neues Leben angefangen, irgendwo, vielleicht auf einer Karibikinsel.
    Plötzlich fiel mir etwas ein: „Mein Vater hat etwas von einem Abdruck erwähnt, und Sie haben sich vorhin ein wenig aufgeregt darüber unterhalten. Was hat es damit auf sich?“
    Juans Gesicht wurde ernst. „Dein Vater ist ein kluger Mann, Señorina Feldmann, aber mir scheint, er neigt ein wenig zur, entschuldige bitte das Wort: Sturheit?“
    „Mein Vater ist schon immer ein Dickschädel gewesen!“, lachte ich. „Wenn er sich etwas in den Kopf setzt, dann zieht er es auch durch, bis zum bitteren Ende.“
    „Ist das so, ja?“, fragte Juan und ein besorgter Schimmer lag in seinen Augen. „Nun, das ist schade. Denn diese Spur , die er verfolgt, ich glaube nicht, dass sie zu einem Ziel führt. Rico sieht das Ganze noch viel drastischer. Er war ziemlich sauer, dass sich dein Vater von scheinbar belanglosen Dingen ablenken lässt. Seiner Meinung nach ist es reine Zeitverschwendung.“
    „Was macht Sie da so sicher?“, fragte ich ein wenig verärgert. Mein Vater verschwendet seine Zeit nie an belanglose Dinge. Wenn er Zeit für eine Sache opfert, dann ist sie es auch wert. Juan überlegte kurz. Er warf einen Blick über seine Schulter. Niemand außer uns beiden war im Saal. Die beiden Besucher waren längst gegangen, also sagte er: „Komm, schau es dir selber an.“
    Wir traten vor die Odalisque, die uns umso verwunderter anzublicken schien, als Juan ihr Bild etwas anhob. Er gab mir eine kleine Taschenlampe und ermutigte mich, einen Blick auf die Rückseite zu werfen. Ich sah nichts außer Leinwand, die schon ein wenig fleckig war.
    „In der linken Ecke, ganz unten. Du musst genau hinschauen.“
    Die feinen Konturen eines rundlichen Abdrucks, nicht größer als ein zehn Cent Stück, fielen mir erst auf, nachdem ich zweimal geblinzelt hatte. Wie ein Stempel zog sich ein blasses Muster über die Leinwand. Vorsichtig befühlte ich mit den Fingern die Stelle und spürte deutlich die winzigen Vertiefungen, die durch einen Gegenstand entstanden sein mochten,

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