Der Fluch der Makaá
Hütten, die denen in Uruyén nicht unähnlich waren.
„Hier leben die Pemón-Indianer, zu deren Stamm auch die Kamarakoto gehören“, erklärte Mateo und zeigte auf den typischen Rundbau. „Wisst ihr, in Venezuela leben zahlreiche Indianer-Stämme, fast so viele wie es Sterne am Himmel gibt, doch im Prinzip sind sie trotz mancher Gegensätze und Meinungsverschiedenheiten eine große Familie, die zusammenhält.“
„Gilt das nicht für die gesamte Menschheit?“, sagte ich leise und Mateo lächelte.
Vor einem sehr großen, beinahe untypischen Haus, das von etwa einem Dutzend kleinerer Rundhütten umgeben war, blieben wir stehen. Helles Licht drang unter dem Türrahmen hervor und an der Tür hing ein Schild: Rezeption. Das war nun in der Tat eine Überraschung, doch Mateo erläuterte sofort, warum ein einfaches Hotel in dieser Gegend Sinn machte.
„San Francisco ist vor allem bei Backpacker-Touristen sehr beliebt, also solchen, die nur mit einem Rucksack ein fremdes Land bereisen.“
„So wie wir?“, bemerkte Robert trocken.
„Genau“, grinste Mateo. Das Dorf ist sehr bald zum Knotenpunkt geworden: Geht man nach Süden, so gelangt man nach Brasilien, ein paar Kilometer nördlich erreicht man den wunderschönen Salto Yuruaní – einen grandiosen Wasserfall, eine Tagesreise gen Osten führt zum Fuß des Roraima Tepuy, der nach dem Auyán Tepuy mit der beliebteste Tafelberg in diesem Land ist – und nur wenige Kilometer von hier entfernt liegen die Quebrada de Jaspe – unser Ziel. Also ein idealer Ausgangspunkt für viele Ausflüge, das haben die Pemón rasch erkannt und einen Wirtschaftszweig daraus gemacht. Die Touristenbranche bringt weitaus mehr ein als der Verkauf von geflochtenen Körben und frischen Eiern.“
Mateo klopfte ein paar Mal laut und deutlich gegen die Tür, dann trat er ein, ohne auf eine Antwort zu warten. Ein Ventilator an der holzverstrebten Decke bewegte die etwas stickige Luft im Raum, der durch ein paar Öllämpchen und Kerzen beleuchtet war. Hinter einem einfachen Schreibtisch im Eingangsbereich saß eine sehr beleibte, schon etwas ältere Indianerin und blätterte in einer Zeitschrift. Sie hob nicht einmal die Augen als wir bereits vor ihr standen.
„Sind noch Zimmer frei?“, erkundigte sich Mateo in ihrer Sprache. Verwundert blickte die Frau auf. Sie war es gewöhnt, in allen möglichen Sprachen angesprochen zu werden, von denen sie weniger als die Hälfte der gesprochenen Worte verstand. Doch einen Indianer, der nach einem Zimmer fragte, den gab es eher selten, schon gar nicht, wenn er in Begleitung dreier Kinder war, die ganz offensichtlich keine Indianer waren. Es schien so großen Eindruck auf sie zu machen, dass sie sogar die Zeitschrift weglegte und ihre Augen über jeden von uns wandern ließ. Eine Weile sagte sie gar nichts, obwohl ihre Gedanken lebhaft schienen. Ich vermute, sie machte sich gerade über jeden von uns ein Bild. Verlegen lächelten Robert und ich sie an. Oliver schlief noch immer tief und fest auf Mateos Schulter.
„Ja“, sagte sie schließlich. „Die Nummer 7 ist frei.“
„Danke“, sagte Mateo und forderte Robert auf, in der Seitentasche seines Beutels nach der Geldbörse zu suchen. Er selber hatte wegen Oliver keine Hand frei. Nachdem die Frau den gewünschten Betrag erhalten hatte, reichte sie uns eine kleine Öllampe, mit der wir die Hütte wieder verließen. Im Licht- und Schattenspiel der Straßenfackeln suchten wir die Nummer 7. Zuvor war mir gar nicht aufgefallen, dass die kleinen Hütten, die rund um die Rezeptionshalle angeordnet waren, Nummern trugen. Die gelbe Farbe, mit der Ziffern auf die Türen gemalt worden waren, bröckelte an einigen Stellen bereits ab.
Kein Anstrich konnte der Witterung, der sengenden Hitze, dem stetigen Wind und den prasselnden Regengüssen während der Regenzeit standhalten. Deshalb wirkte der Putz an den Häusern auch stets schäbig und erneuerungsbedürftig.
Die Nummer 7 befand sich in einem hinteren Winkel der Anlage, der schlecht ausgeleuchtet war. Die kleine Öllampe kam zum Einsatz, als Mateo die Tür aufdrückte. Einen Schlüssel gab es nicht, denn es war kein Schloss vorhanden und auch kein Riegel zum Abschließen.
Die Rundhütte bestand aus einem einzigen winzigen Raum, der spärlich eingerichtet war. Eine umgedrehte Holzkiste als Tisch, zwei niedrige Stühle und eine Reihe aufrechter Holzbalken, die das Dach stützten, waren neben ein paar Spinnweben, die als blasse Fäden durch den Raum
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