Der Fluch der Makaá
schwebten, das einzige, was es hier gab.
„Und wo sollen wir schlafen?“, maulte ich ein wenig missmutig – ich hatte soeben festgestellt, dass sowohl Betten als auch eine Waschgelegenheit fehlten. Ohne auf meine Frage einzugehen, setzte Mateo meinen kleinen Bruder auf einen der Stühle, öffnete die große Lasche seines Beutels und zog zwei große Rollen heraus, die aussahen wie zusammengeknüllte Fischernetze. Als er sie ausbreitete, musste ich lächeln. Es waren zwei Hängematten. Mateo brachte sie fachmännisch mit kleinen Haken an den Holzpfählen an und legte Oliver in eine hinein.
„Sie hätten extra was gekostet, wenn wir uns hier welche geliehen hätten, aber ich sage immer: nirgendwo schläft man so gut, wie im eigenen Bett!“, lachte Mateo und ich stimmte ihm zu.
Nur Robert beäugte die Sache kritisch. „Es sind aber nur zwei“, bemerkte er knapp.
„Wo ist das Problem?“
Ich blickte Mateo an, als läge es doch auf der Hand. „Wir sind vier“, rief ich.
Der Indianer grinste und in seinen Augen las ich den Gedanken typisch Stadtkinder . „Und deshalb habe ich auch die großen Hängematten eingesteckt, sodass in jede zwei Leute hineinpassen. Ich teile mir eine mit Oliver und du bekommst mit Robert die andere. Einverstanden?“
Robert und ich sahen uns an und hoben kurz die Schultern: von mir aus. Robert war auch viel zu müde, um sich weiter Gedanken darüber zu machen. Rasch entledigte er sich der Schuhe, kroch in das Netz der Hängematte und war bereits eingeschlafen, bevor ich umständlich neben ihm Platz fand. Es war nicht leicht, leise und vorsichtig zu sein, und vor allem ohne uns dabei aus der Matte zu werfen. Später gestand mir Mateo, dass er nicht wirklich zwei große Hängematten eingesteckt hatte. Das war aber nicht weiter schlimm. Es war nicht das letzte Mal, dass wir in den Hängematten übernachten sollten, und bald hatten wir uns so daran gewöhnt, dass es uns gar nicht mehr störte, entweder den Fuß oder den Ellbogen des anderen im Gesicht zu haben.
Tag 8 nach dem Absturz
G rau und unendlich weit entfernt wölbte sich der Himmel über San Francisco, als ich am nächsten Morgen vor allen anderen die Hütte verließ. Auf Zehenspitzen hatte ich mich hinaus geschlichen, um meine Brüder und Mateo nicht zu wecken. Zwar war ich noch ein gutes Stück von dem entfernt, was man wohl als ausgeschlafen bezeichnet, doch eine innere Unruhe, die mich bis in meine tiefsten Träume verfolgt hatte, trieb mich um und letztendlich aus der Hängematte. Zudem war ich neugierig, das Dorf einmal bei Tageslicht zu sehen. Abgeschminkt sozusagen, denn die Nacht ist ein geschickter Maskenbildner, der mit seinem schwarzen Lidstift dunkle Schatten auf das Gesicht einer Land- oder Ortschaft zaubert, sodass man deren eigentlichen Charakter nur noch erahnen kann.
Angenehm kühl legte sich die Morgenfeuchtigkeit auf meine Haut. Die Fackeln, die noch vor ein paar Stunden den Weg zu den Hütten der Gäste beleuchtet hatten, waren heruntergebrannt und schwelten vor sich hin. Der erste Weg führte mich einmal um unsere Hütte herum. Ich suchte dringend nach… Irgendwo musste es doch… Ja, tatsächlich! Ein kleines Holzhäuschen mit einer quietschenden Tür, die sich von innen verriegeln ließ, erfüllte genau den Zweck, den ich von ihm erhofft hatte. Wesentlich erleichtert verließ ich das gewisse Örtchen und schritt zielstrebig zu dem rostigen Wasserhahn, der an der Außenseite angebracht war. Irgendjemand hatte den Hahn sehr fest zugedreht, sodass ich alle Kraft aufbringen musste, um ihn wieder aufzubekommen. Zwar tropfte er selbst im geschlossenen Zustand schon ziemlich stark, doch erst als ein starker, eisiger Strahl nach dem ruckartigen Öffnen unerwartet mit Gewalt herausschoss, war eine Wäsche möglich. Wie kleine Nadelstiche empfand ich das eiskalte Wasser und es prickelte selbst dann noch wohlig nach, nachdem ich mir bereits mit dem Ärmel die Haut trocken gerieben hatte. Mit nassen Händen fuhr ich mir ein paar Mal rasch durch die Haare und band sie zu einem lockeren Pferdeschwanz zusammen. Einen Spiegel gab es weit und breit nicht.
Ist wahrscheinlich auch besser , redete ich mir ein, wenn du so aussiehst, wie du dich fühlst…
Die Hütten für die Gäste befanden sich am äußersten Ende des Dorfes. Direkt hinter der Nummer 7, die meine Geschwister, Mateo und ich bezogen hatten, begann die Prärie. Still zog sie sich in harmonischen Bögen und sanften Wellen dahin und lenkte den Blick
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