Der Fluch der Makaá
könne er nicht erklären, was soeben passiert war, schaltete er das Radio wieder an und fuhr in gemächlichem Tempo weiter.
Auch Mateo war wieder zu den Lebenden zurückgekehrt und wunderte sich uns so verstört zu sehen. „Ist irgendwas passiert?“, fragte er und seine Stimme klang so normal als wäre überhaupt nichts geschehen.
„Die Frage ist wohl eher, was mit dir war!“, entgegnete Robert und ließ sich kraftlos auf einen von Bobs Koffern sinken. „Mit mir? Wieso mit mir?“, wollte Mateo wissen und zog die Brauen zusammen. Wir versuchten ihm zu erklären, was gerade vorgefallen war. Er riss die Augen weit auf, sagte aber keinen Ton.
„Ich glaube, die Makaá beobachten uns“, sprach ich meine Befürchtung aus. „Und sie nehmen Kontakt mit uns auf.“
Mateo überlegte eine Weile, dann schüttelte er langsam den Kopf. „Wir dürfen eines nicht vergessen: die Makaá sind ein Mythos, Melanie. Sie wirkten schon zu ihren Lebzeiten wie Gespenster, und umso mehr sind sie es in diesen Tagen, in denen sie nicht mehr existieren. Ich glaube nicht, dass sie euch beobachten können, und auch nicht, dass sie Kontakt zu euch suchen. Die Stimmen und all das, was ihr erlebt habt, gehören meines Erachtens zu einem Zauber, den sie vor langer Zeit ausgesprochen haben. Vielleicht vernimmt jeder Pilger, der sich auf die Suche nach den geheimen Hallen macht, an einer bestimmten Stelle diese Stimme.
Wie auch immer“, fuhr er nach einer Weile fort. „Ihr habt euch auf etwas Gefährliches eingelassen, dessen Ausgang ungewiss ist. An eurer Stelle würde ich höllisch aufpassen. Denn eines hat sich beim Fluch der Makaá bereits gezeigt: Er ist keine Einbildung.“
Ich nickte zustimmend. Obwohl ich insgeheim noch immer zweifelte, konnte ich nicht umhin, dem Zauber eine gewisse Kraft zuzusprechen, der es gelang, sich unserer zu bemächtigen. Gleichwohl rebellierte mein Verstand gegen dieses Zugeständnis, und verstärkte nur umso mehr mein Versprechen, das ich mir in der Höhle des einäugigen Frosches selber gegeben hatte: Nie wieder wollte ich mich von ihren Illusionen einschüchtern lassen. Es war das zweite Mal, dass ich in dieser Hinsicht versagt hatte, und selbst, wenn ich nicht die Hand dafür ins Feuer legen konnte, beim nächsten Versuch der Makaá standhaft und tapfer zu bleiben, so wollte ich es doch wenigstens versuchen.
Innerlich noch immer zitternd, ließ ich mich neben Robert und Oliver auf die Koffer fallen und begann mir Gedanken über die nächste Hürde zu machen, die uns bevorstand.
Steig in die Wolken, in die endlose Weite. Welcher Himmel gemeint ist, das finde heraus!
Welcher Himmel? Welcher Himmel…?
E s war tiefe Nacht, als der Pick-up vor einer schwach schimmernden Lichterkette zu stehen kam, die sich beim näheren Hinschauen als die Nachtbeleuchtung eines Dorfes herausstellte.
„Wir sind da!“, rief Mateo und rüttelte uns sanft an den Schultern wach. „Wie? Wo? Was?“, murmelte Oliver schlaftrunken und kämpfte vergeblich mit seinen schweren Augenlidern. Mehr als ein Blinzeln kam nicht zustande, dann fielen sie ihm wieder zu.
Mateo griff beherzt nach seinem Beutel, warf sich diesen über die rechte Schulter und nahm Oliver auf die Linke. Robert und ich sprangen von der Ladefläche und landeten auf einer staubigen, ungepflasterten Straße. Bob und Tony waren kurz ausgestiegen, um sich von uns zu verabschieden – wir wünschten uns gegenseitig alles Gute und bedankten uns bei Tony für die Mitfahrgelegenheit – dann fuhren sie weiter, denn sie waren noch lange nicht am Ziel. Santa Elena war noch über eine Stunde entfernt. Das hüstelnde Motorengeräusch des Pick-ups verklang in der dunklen Ferne, und wären die Lichter nicht gewesen, so wäre ich mir vorgekommen wie ausgesetzt. Rings um uns herrschte Finsternis, und in ihrem alles verhüllenden Schatten erstreckte sich eine endlose Prärie, in der die Zikaden ein Konzert gaben, in das wir uneingeladen hineinplatzten. Mateo kehrte der Dunkelheit den Rücken und ging mit zielsicheren Schritten auf die schmale Lichterkette zu.
„Wie heißt dieser Ort?“, fragte Robert und bemühte sich Schritt zu halten.
„Warst du schon mal in San Francisco?“
„Nein.“
„Jetzt bist du es.“
Tatsächlich trug das kleine Dorf, das ruhig und friedlich im zarten Schein der Fackeln schlummerte, den stolzen Namen San Francisco. Die Straßen waren um diese Stunde wie leer gefegt, und nur gelegentlich drangen schwache Geräusche aus den
Weitere Kostenlose Bücher