Der Fluch der Makaá
Grashalmen bilden, wir lauschen dem Konzert der Zikaden und folgen dem Lockruf des heulenden Windes –“
Verwundert brach Bley seine Rede ab und blickte mich an. Mit zusammengepressten Lippen stand ich da und versuchte krampfhaft ein Kichern zu unterdrücken.
„Zu theatralisch?“, fragte Bley ernsthaft.
Ich nickte heftig und kämpfte vergeblich gegen den Lachreiz an.
„Also gut“, fuhr Bley fort. „Ich versuche, mich am Riemen zu reißen. Aber garantieren kann ich für nichts, denn wenn nur ich alleine rede, dann finde ich selten zu einem Schluss und sage seltsame Dinge, ohne dass ich mich bremsen kann. Vielleicht kannst du mir ja ein wenig helfen und steigst in die Unterhaltung mit ein. Wie wäre das?“
„Netter Versuch“, warf ich ein und verschränkte die Arme vor der Brust. „Ach komm schon, was ist denn dabei. Erzähl mir etwas, oder wenn du nicht magst, dann frag mich wenigstens etwas.“ Bley blickte mich mit einem bittenden Dackelwelpenblick an, dem ich unmöglich widerstehen konnte. Außerdem klang das Angebot fair. Ich war fest entschlossen, ihm nichts über meine Person preiszugeben, aber wenn er es schon anbot, so konnte ich doch etwas über ihn erfahren. „Was machen Sie hier in Venezuela?“, wollte ich wissen. „Ich bin Tourist“, antwortete er wie ein Zeuge im Verhör, der soeben auf die Bibel geschworen hatte, die Wahrheit und nichts als die Wahrheit zu sagen. „Venezuela ist ein aufregendes Land, das viel zu bieten hat. Ich liebe es!“
„Dann waren Sie schon öfter hier?“
„Aber ja. Gut und gerne sechs Mal, nein, warte, sieben Mal… oder doch sechs? Einen Augenblick..“ An seinen Fingern zählte er die Jahre ab, in denen er hier gewesen war und murmelte leise vor sich hin. „– ja doch, es ist das siebte Mal, dass ich hier bin – und es ist immer wieder anders, neu und schön.“
Ich staunte nicht schlecht, als ich hörte, wie oft er dieses Land bereist hatte. „Dann kennen Sie sich ja bestimmt hervorragend aus, nicht wahr?“ „Das will ich meinen! Ich war überall, am Orinoco, in den Llanos, sogar in den Anden – aber die Gran Sabana hat meiner Meinung nach die größte Vielfalt mit ihren fantastischen Wasserfällen, den gigantischen Tafelbergen und all den Schätzen, die der Urwald in seinem tiefen Schatten verbirgt. Hast du denn schon etwas von dem Land gesehen?“
„Ein wenig.“
„Ah, sicherlich die Angel Falls, Auyán Tepuy, Canaima, Salto Sapo…?“
„Woher wissen Sie das alles?“, fragte ich geschockt und ärgerte mich im selben Augenblick darüber, so unvorsichtig gewesen zu sein und meine Überraschung preisgegeben zu haben.
„Gut geraten, nehme ich an!“, strahlte Bley und freute sich über seine Treffsicherheit. „Okay, ich gebe zu, die Chance richtig zu liegen war hoch: es ist die klassische Touristenroute.“
„Ist dem so?“, fragte ich verwundert.
„Nun ja, bis auf die Reihenfolge stimmt es im Großen und Ganzen. Es sind einfach die Plätze, die anziehend auf die Menschen wirken – gestern wie heute. Ja, wusstest du, dass viele dieser Orte den Indianern heilig waren? Manche waren sogar Opferstätten! Generell heißt es, dass an jenen Stellen Rituale stattgefunden haben, bei denen Zauber ausgesprochen und Flüche verhängt wurden. Nun ja, so unheimlich es klingt, alles Mumpitz, wenn du mich fragst. Ich war schon so oft an besagten Orten, ohne auch nur den Hauch eines alten Zaubers oder den heißen Atem eines Fluches im Nacken zu spüren. Oder glaubst du etwa an solchen Hokuspokus?“
„Ich weiß nicht“, gab ich der Ehrlichkeit halber zu. Hätte er mir diese Frage vor wenigen Tagen gestellt, so hätte ich ihm lachend zugestimmt und Witze darüber gemacht. Doch jetzt… Natürlich gab es keine Zauberei, aber es gab etwas, das meine Brüder und ich am eigenen Leib erfahren hatten, was der Bedeutung dieses Wortes doch sehr nahe kam. Ich suchte nach einem treffenderen Begriff, doch nachdem ich keinen finden konnte, musste ich zugeben, dass Zauberei das Erlebte noch am besten umschrieb. „Aber ich glaube“, fuhr ich fort, „ich glaube, es gibt Dinge, die sich nicht erklären lassen.“
„Da hast du recht! Solche Dinge gibt es! Und es gibt sie dieses Jahr sogar besonders häufig in Venezuela! Erst gestern habe ich etwas Interessantes in der Zeitung gelesen, eine ganz kuriose Geschichte, die sich in den letzten Tagen in Caracas zugetragen hat. Es ging um einen Monet… Nein, warte, um einen Picasso, ja genau, das war
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