Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Fluch der Makaá

Der Fluch der Makaá

Titel: Der Fluch der Makaá Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Talbiersky
Vom Netzwerk:
Farbe, die der Himmel bei anbrechender Dämmerung oder drohendem Regensturm annimmt.
    Mateo ließ sich gutherzig auf die Unterhaltung ein und bedankte sich mehrfach dafür, dass Bley uns mit seinem Auto einen langen Fußmarsch erspart hatte. „Ach, keine Ursache. Es war mir ein Vergnügen!“, winkte Bley zufrieden lächelnd ab. „Dann habe ich meine gute Tat für diesen Tag schon hinter mir – ich war früher mal bei den Pfadfindern… Gibt es in Venezuela eigentlich Pfadfinder…?“
    Eine halbe Stunde später stoppte der Kombi auf einem Schotterparkplatz am Rande der Straße mitten im Nirgendwo. „Wir sind da.“, verkündete Bley vergnügt und ließ uns aussteigen.
    Sogleich schlug uns die Hitze entgegen, die sich in den frühen Stunden auf dem Platz angestaut hatte.
    „Seht ihr den kleinen Hügel dort vorne? Den müsst ihr hoch, dahinter findet ihr einen dichten Wald und einen Pfad – nicht zu übersehen. Dem müsst ihr folgen – er führt direkt zu der Quebrada de Jaspe, keine 500 Meter von hier. Aber was rede ich, Mateo kennt sich natürlich aus.“
    „Trotzdem danke“, sagte Mateo und reichte Bley die Hand. „Und wo fahren Sie jetzt hin?“
    Bley kramte im Handschuhfach nach einer dunklen Sonnenbrille und setzte sie sich breit grinsend auf seine Nase. „Ich weiß es noch nicht. Vielleicht nach Santa Elena, vielleicht auch ein Stückchen weiter… Es kommt aufs Wetter an, ich habe der Kleinen heute Morgen schon erzählt, dass es heute umschlagen wird. An eurer Stelle würde ich nicht allzu lange am Fluss verweilen, wenn ihr den ganzen Weg nach San Francisco noch zurücklaufen wollt. Also, dann habt einen schönen Tag, und ich hoffe, ihr findet das, was ihr sucht!“
    „Wieso glauben Sie, dass wir etwas suchen?“, fragte Oliver verblüfft. Bley hob die Schultern. „Niemand geht hierher ohne etwas zu suchen – oder zu finden. Bis bald!“ Bley gab Gas und das Auto verschwand in einer undurchdringlichen, gelben Staubwolke. Mateo erklärte, er würde ein wenig entlang der Straße auf und ab gehen, und an dieser Stelle auf uns warten. Zum Fluss würde er uns nicht begleiten. Dieser war Teil des Weges der Makaá, also zog er es vor, sich fernzuhalten.
    Mit gespannter Erwartung traten wir alleine in den dunklen Schatten des Urwaldes ein. Sogleich umschloss uns sein dichtes Grün und die Feuchtigkeit eines nicht mehr ganz so frühen Morgennebels legte sich um unsere Knöchel und Waden. Wie anders die Luft hier roch: schwer und feucht. Auf den Ebenen wehte stets ein leichter und trockener Wind, der einem entweder eine Gluthitze oder einen Schwarm lästiger Puri-Puri-Fliegen ins Gesicht blies. Fliegen gab es in diesem Urwald auch, aber es gab noch etwas, das bei uns allen größtes Entzücken auslöste: Schmetterlinge. Schillernd, blau, rot, gelb, gefleckt, gepunktet, feengleich und fast handtellergroß – beschwingt und frei schwebten sie wie schöne Gedanken durch das Geäst und vermittelten uns den Eindruck, in eine fremde Welt eingetaucht zu sein. Wir waren in einem Märchen! Bei dem wundervollen Anblick vergaßen wir beinahe, auf den Weg zu achten, aber der Pfad war in der Tat so breit und trittfest, dass man ihn gar nicht verfehlen konnte. Keine fünf Minuten später hörten wir in einiger Entfernung ein leises Plätschern und Gurgeln. „Das muss der Fluss sein!“, rief Robert begeistert und begann sofort schneller zu laufen. Wir folgten ihm mit kurzem Abstand. Wie Musik klang die Melodie des Flusses in unseren Ohren und die Schmetterlinge, sie tanzten und wiegten sich zu ihr. Es war einfach bezaubernd ihnen zuzuschauen, und als der Urwald den Blick auf den Fluss freigab, stockte uns regelrecht der Atem. Ungelogen, wenn es einen Ort auf Erden gibt, der dem Paradies nahe kommt, dann ist es dieser hier! Die Luft vibrierte von den glänzenden Flügelschlägen der wundervollsten Schmetterlinge, die man sich denken kann, und im kühlen Schatten, den die hohen Bäume an der Uferböschung seit Urzeiten spendeten, sprudelte ein glasklares Flüsschen durch den Urwald, das auf seinem Grund eine glutrote Sonne in sich trug: Jaspis. Der ganze Boden war bedeckt von diesem feinkristallinen Quarzgestein, das in den betörenden Farben Rot, Gelb und Orange durch das Wasser schimmerte. Da, wo das Sonnenlicht die Baumkronen durchbrach, fing der Halbedelstein die Strahlen auf, saugte sie auf, und machte sie zu seinem eigenen Licht.
    „Das ist“, jauchzte Robert, der sich als erster aus der Erstarrung löste,

Weitere Kostenlose Bücher