Der Fluch der Makaá
es, und wenn nicht, so ging es doch wenigstens um ein Bild, das in einem Museum hängt, oder auch nicht mehr hängt… Ach, ich weiß auch nicht. Nein, ich bekomme die Geschichte nicht mehr zusammen, tut mir leid. Aber wenn du willst, kann ich später noch mal nachschauen, ich müsste den Artikel noch irgendwo haben. Es war wirklich sehr interessant.“
„Schon gut! Lassen Sie nur“, warf ich schnell ein und war durchweg erleichtert, dass Bley vom Thema Nummer Eins in Caracas kaum etwas mitbekommen hatte. Es war, als fiele mir ein Stein vom Herzen, und ich fühlte mich augenblicklich freier und lockerer. Die Sonne gewann zunehmend an Kraft und wurde gelber und heller, je höher sie in den Himmel stieg.
„Um noch mal auf deinen kleinen Schatz zurückzukommen“, lenkte Bley nun das Thema auf den Jaspisstein in meiner Hosentasche. „Warst du denn schon bei der Quebrada de Jaspe?“
„Wir wollten heute hingehen.“
Bley legte den Kopf schief und klopfte ein paar Mal gegen sein rechtes Ohr. „Tut mir leid, aber ich glaube, ich habe falsch gehört, ich hatte verstanden, ihr wollt heute hin gehen .“
„Du hast richtig gehört“, sagte ich und blickte ihn unsicher an. „Ist sie etwa nicht in der Nähe?“ „Nun ja, der Jaspisfluss ist sicherlich in Reichweite und gegen einen guten Fußmarsch ist auch nichts einzuwenden, doch, bei allem Respekt: Dafür hättet ihr früher aufstehen müssen. Nie ist die Quebrada schöner als beim Anblick der frühen Ostsonne, wenn sie ihre schrägen orangegelben Strahlen durch das grüne Blätterdach auf das kostbare Flussbett schickt, sodass es strahlt und funkelt als wäre es aus purem Gold. Wenn ihr die volle Farbenpracht genießen wollt, dann müsst ihr morgens dort hingehen. Wenn ihr den Fluss erst am Nachmittag erreicht, liegt er bereits so im Schatten, dass die Farben gar nicht richtig wirken. Außerdem wird das Wetter heute noch umschlagen, gegen Mittag sollen Wolken aufziehen, habe ich gehört.“ Das alles war sehr enttäuschend. Um unsere Aufgabe zu bewältigen, brauchten wir klares Licht, da war ich mir sicher, und gutes Wetter konnte auch nur von Vorteil sein. Die ganze Sache um einen Tag verschieben, war unmöglich. Wir durften keine Zeit verlieren. Bley musterte mein nachdenkliches Gesicht.
„Wenn du willst – ach nein“, fügte er hastig hinzu und winkte entschuldigend ab. „Ich bin mal wieder zu aufdringlich…“
„Was denn?“
„Nun ja“, druckste Bley herum, „ich breche in einer Stunde in die gleiche Richtung auf. Wenn du willst, kann ich dich und deine Familie ein Stück im Auto mitnehmen.“
„Wirklich?“, fragte ich begeistert.
„Natürlich! Für mich ist es so gut wie gar kein Umweg, und ich könnte mich dafür revanchieren, dass du mir so nett Gesellschaft geleistet hast. Also, das Angebot steht. Überleg es dir, frag deine Eltern, und sag mir kurz Bescheid. Du weißt ja, wo ich wohne.“
B ley staunte nicht schlecht, als ich eine Stunde und ein kurzes Frühstück später vor seiner Türschwelle erschien, nicht mit meinen Eltern, dafür aber mit zwei Jungen und einem Indianer im Schlepptau.
„Gilt Ihr Angebot noch?“
„Natürlich.“ Bley runzelte die Stirn und rieb sich das stoppelige Kinn, zog es aber vor, keine Fragen zu stellen. Vermutlich wusste er, dass er keine zufriedenstellende Antwort von uns erwarten durfte, und so behielt er seine vielen Fragen und seine tiefgründigen Gedanken für sich.
Meine Brüder und ich fanden auf der Rückbank eines graugrünen, klimatisierten Kombis Platz, den Bley für seinen Urlaub gemietet hatte, während Mateo sich auf dem Beifahrersitz niederließ. Es dauerte keine zwei Minuten, wir bogen gerade in südlicher Richtung auf die Hauptstraße ab, da waren er und Mateo bereits in ein fröhliches Gespräch vertieft. Bley fand es spannend, einen Indianer kennen zu lernen und stellte tausend Fragen nach Mateos Herkunft, seiner Familie, seinem Beruf und seiner Lieblingsfarbe – Uruyén, natürlich, er kenne das Dorf, war schon x-mal daran vorbeigefahren. Ob es sich lohne, es einmal von Nahem zu sehen? Oh ja, er würde gerne kommen, demnächst einmal, irgendwann, nicht in diesem Jahr, da habe er schon zu viel vor – sein Urlaubsplaner sei stets voller als sein Terminkalender daheim, Mateo als angehender Reiseleiter könne das sicherlich nachvollziehen. Außerdem teile er vollkommen die Ansicht, dass Grün eine wundervolle Farbe sei, obwohl er persönlich dunkles Blau bevorzuge, eben jene
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