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Der Fluch der Schriftrollen

Der Fluch der Schriftrollen

Titel: Der Fluch der Schriftrollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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mich
gefahren ist, Poppäa«, flüsterte er ihr sanft zu. »Ich war vorher noch nie so.
Es wird zu einer fixen Idee. Warum? Worin liegt die Ursache? Ist es David? Wie
kann jemand, der seit zweitausend Jahren tot ist, eine solche Kontrolle über
mich ausüben?«
    Langsam
schlürfte Ben den Wein und spürte, wie die Zimmertemperatur anstieg. Es war,
als würde er von einer Wärmedecke umgeben, von einer behaglichen Hülle, in der
er sich entspannte und seinen Kopf schläfrig zurücklegte.
    Sogleich strömten die
Erinnerungen an die Tage mit Salomon Liebowitz in sein Gedächtnis zurück. Es
schien, als wären sie viele Jahre lang hinter einer verschlossenen Tür
zurückgehalten worden, bis er jetzt aus einem unbekannten Grund den Schlüssel
zu dieser Tür gefunden hatte. Und Erinnerungen, die Ben längst vergessen hatte,
überschlugen sich nun in seinem Geiste.
    Es kamen ihm auch andere
Bilder, die weniger heiter waren als die von der Jeschiwa und von Salomon. Es
waren Momentaufnahmen von seiner Kindheit in Deutschland, von seiner
Auswanderung in die Vereinigten Staaten, von der schmerzvollen Zeit seines
Heranwachsens unter der Obhut seiner Mutter.
    Ben hatte keine Geschwister
gehabt. Und auch keinen Vater. Soweit er sich zurückerinnern konnte, waren da
immer nur er selbst und seine Mutter gewesen. Und seine Mutter – sein einziger
Elternteil und seine einzige Bezugsperson – war ein schwieriger Mensch gewesen.
    Dann
flackerte ein anderes Bild kurz in seinem Gedächtnis auf: das Handgelenk seiner
Mutter. Irgend etwas stimmte damit nicht. Sie trug immer lange Ärmel, um es zu
verbergen. Doch einmal hatte er es zu Gesicht bekommen. Er hatte darauf
gedeutet und gefragt: »Was ist das, Mama?«
    Ein Ausdruck des Entsetzens
war über das Gesicht seiner Mutter gehuscht. Sie hatte schnell ihre Hand über
die Verstümmelung gelegt und war aus dem Zimmer gestürzt. Und sie hatte noch
Stunden danach und lange in die Nacht hinein geweint.
    Als Ben dreizehn Jahre alt
war, hatte seine Mutter am Tag seiner Bar-Mizwa, als er in die jüdische
Glaubensgemeinschaft eingeführt wurde, ihren Ärmel aufgerollt, um ihm ihr
Handgelenk zu zeigen. »Weil du nun ein Mann bist«, hatte sie ihm in Jiddisch
gesagt. »Weil du jetzt über solche Dinge Bescheid wissen solltest.« Und sie
hatte ihm die fleckigen Narben gezeigt, die von den Bissen wilder Hunde an
einem Ort namens Majdanek herrührten.
     
     
    Als das Telefon klingelte,
sprang Ben mit einem Satz auf und vertrieb Poppäa von seinem Schoß. Er taumelte
auf steifen Beinen zum Telefon und rieb sich das Gesicht, bevor er abnahm.
Überrascht bemerkte er, daß ihm eine Träne über die Wange lief. »Hallo, Schatz!
Nun, wie lautet der Urteilsspruch?« Für einen Moment wußte er nicht, wer am
Apparat war, doch dann antwortete er schwerfällig: »Keine Rolle, Angie.«
    »O toll!« freute sie sich.
»Dann also San Diego?«
    »Na ja… San Diego. Aber erst
morgen früh. Jetzt bin ich zu müde.«
    »Großartig. Bis morgen also.
Tschüß, Liebling.« Seine Lippen formten das Wort »Auf Wiedersehen«, aber seine
Stimme versagte ihm. Ben stand lange am Telefon und starrte vor sich hin wie
unter Hypnose. Dann kam er langsam wieder zu sich und erkannte, daß er eine
Zeitlang auf der Couch geschlafen haben mußte. Es war fast sieben Uhr abends.
    Im Augenblick
wollte er nur eines, und zwar diese Erinnerungen aus seinem Gedächtnis
vertreiben. Den Schrecken und die Qual des Konzentrationslagers vergessen. Die
Trübsal seiner Kindheit wegwischen. Und Rabbi Salomon Liebowitz hinter die
verschlossene Tür zurückdrängen. Es war nicht gut, die Vergangenheit wieder
auszugraben. Es machte einen nur unglücklich und trieb einem die Tränen in die
Augen.
    Er schaltete eine Menge
Lichter an und legte eine Beethoven-Platte auf. So gelang es ihm, die Schwermut
und die Stille ein wenig zu vertreiben. Als er die Gedanken an die Gesichter
von seiner Mutter und Salomon Liebowitz jedoch nicht verdrängen konnte, wurde
ihm bewußt, daß er den Abend nicht allein verbringen wollte. Er wählte die drei
ersten Ziffern von Angies Nummer, legte dann aber wieder auf. Er dachte einen
Augenblick nach und holte schließlich auf gut Glück das Telefonbuch hervor, um
nachzusehen, ob sie darin aufgeführt war. Überraschenderweise fand er sie. Das
heißt, wenn die Judith Golden aus dem Telefonbuch die war, nach der er suchte.
»Hallo?«
    »Judy? Hier ist Ben Messer.«
    »Ach, hallo, wie geht es
Ihnen?«
    »Prima. Hören Sie, ich

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