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Der Fluch der Schriftrollen

Der Fluch der Schriftrollen

Titel: Der Fluch der Schriftrollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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ist
nowhere.« (Gott ist nirgendwo.)
    »Sind Sie ganz sicher? Sehen
Sie nochmals hin. Könnte es nicht auch heißen: God is now here!« (Gott
ist jetzt hier.) »Oh, ich begreife, was Sie meinen.«
    »Und das verändert die
Bedeutung erheblich. Wie dem auch sei, wenn Sie irgendwelche Probleme mit
meinem Gekrakel haben sollten, dann brauchen Sie nur zu rufen. Die Abschnitte,
die sich Ihnen als wildes Gekritzel präsentieren, sind Stellen, wo ich eine
ebensolche Unleserlichkeit in Davids Handschrift antraf.«
    »Ich denke, das wird lustig
werden.«
    »Wenn Sie irgend etwas
brauchen, die Küche ist dort drüben, und das Badezimmer finden Sie, wenn Sie da
hinten durchgehen. Ich bin im Arbeitszimmer, in Ordnung?«
    »Alles klar. Viel Spaß.«
    Ben war eben dabei, seine
Regale nach einem entspannenden Lesestoff durchzusehen, als es an der Tür
klopfte. Es war sein Nachbar, der Musiker, bekleidet mit einem triefendnassen
gelben Regenumhang.
    »Hallo, Nachbar«, grüßte er,
»ich habe da etwas für Sie. Ich war heute nachmittag unten, gerade als der
Briefträger wieder einen gelben Zettel in Ihren Kasten stecken wollte. Ich
glaubte, Sie seien nicht zu Hause, und wenn es ein Einschreiben ist, könnte es
ja wichtig sein. So quittierte ich dafür.« Er zog den schwarzen Umschlag unter
seinem Arm hervor. »Andernfalls hätten Sie bis Montag warten müssen, richtig?«
    Ben antwortete nicht, sondern
starrte nur auf die vertraute Handschrift und die israelischen Briefmarken.
    »Hören Sie, es tut mir leid,
daß ich es nicht eher herauf gebracht habe, aber ich hatte noch etwas
Dringendes zu erledigen. In Ordnung?«
    »Was? Oh, ja, ja. Ganz
wunderbar! Ich war den ganzen Nachmittag zu Hause und habe auf dieses
Einschreiben gewartet, aber ich habe wohl nicht gehört, als der Briefträger
klopfte. Ich bin Ihnen zu großem Dank verpflichtet.«
    »Lassen Sie es gut sein.
Schönen Abend noch.« Lange, nachdem die Tür ins Schloß gefallen war, stand Ben
noch immer wie angewurzelt da und starrte auf den Umschlag. Und sein Herz
begann wie rasend zu schlagen.

 
    Kapitel Sieben
     
     
     
    Ich trat meine Lehrzeit bei
Eleasar mit großer Sorge an. Nicht daß ich die vor mir liegenden Jahre voller
Mühsal und Verzicht fürchtete. Aber ich war mir nicht sicher, ob ich würdig
genug war, ein Jünger zu sein. Rabbi Eleasar Ben Azariah war einer der
wahrhaftig großen Autoritäten des Gesetzes, und er war ein berühmter Lehrer.
Außerdem war er Mitglied des Hohen Rats der Juden, ein Pharisäer und frommer
Mann. Eleasar lebte einfach und anspruchslos und arbeitete in seinem Handwerk
als Käsemacher, um sich und seine Familie zu ernähren. Er kleidete sich in das
Gewand eines bescheidenen Mannes und trug keine breiteren Gebetsriemen als
seine Nachbarn. Anders als manche seiner Kollegen, die laut betend durch die
Straßen gingen, war Eleasar ein ruhiger Mann, der mit seinem Herzen zu Gott
sprach. Er kannte den Wortlaut des Gesetzes besser als irgendein anderer, und
er praktizierte den Geist des Gesetzes durch seine Weisheit und seine tägliche
Lebensführung. Und dieser Mann sollte nun mein Lehrer werden. Wie die meisten
Rabbis hatte auch Eleasar stets zwölf Jünger um sich geschart. Wir zwei waren
die jüngsten. Saul und mir wurde ein ungenutzter Schuppen hinter seinem Haus
als Schlafstätte zugewiesen, so daß wir ständig in seiner Nähe sein konnten.
Von den anderen zehn lebten drei in den Häusern ihrer Väter, drei wohnten bei
Verwandten und vier waren in den oberen Räumen von Eleasars Haus untergebracht.
Eleasars Frau Ruth nährte und kleidete uns als Gegenleistung für unsere Arbeit.
Da sie keine Töchter hatte, fiel mir die unwürdige Aufgabe zu, täglich die Wasserbehälter
am Brunnen aufzufüllen. Sauls Pflicht war es, das alte Haus in gutem Zustand zu
halten. Die anderen vier Schüler halfen Eleasar in seinem Käseladen, wenn wir
nicht gerade im Tempel weilten. Wir mußten lange Jahre dieser Knechtschaft
erdulden, in denen wir als bescheidenste Diener ohne Lohn lebten, denn dies war
der Preis, wenn man ein Mann des Gesetzes werden wollte.
    Am Anfang meiner Lehrzeit,
als ich auf meiner Matte lag und in das Dunkel unserer winzigen Kammer starrte,
ließ ich meinen Tränen freien Lauf. Eine große Finsternis breitete sich vor mir
aus, ein so weiter, unendlicher, furchterregender Abgrund, daß meine
Kinderseele laut aufschrie: »Bin ich würdig genug, Herr?« Und ich hatte Heimweh
nach Magdala. Ich träumte vom Haus meines Vaters am

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