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Der Fluch der Schriftrollen

Der Fluch der Schriftrollen

Titel: Der Fluch der Schriftrollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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ja?«
    Er machte mit ausgestreckten
Händen einen Schritt auf sie zu. »Ich will hier sein, wenn sie kommt.«
    »Wird der Briefträger sie
nicht in den Kasten stecken?«
    »Nein. Die Rollen kommen
immer per Einschreiben. Wenn ich nicht hier bin, um sie entgegenzunehmen, muß
ich bis Montag warten.«
    Ihre Stimme klang kühl. »Ach
so?«
    »Komm schon, Angie. Versuche
mich zu verstehen.« Sie holte tief Luft und atmete langsam wieder aus. »Ich
habe mich so auf diesen Ausflug gefreut.«
    »Ich weiß…«
    »Früher bist du auch
weggegangen, wenn Manuskripte zugestellt werden sollten. Du hast sogar diesen
Kodex aus Ägypten drei Tage auf dem Postamt liegenlassen, bevor du hingefahren
bist. Normalerweise bist du zuverlässiger, wenn es darum geht, deine Wäsche von
der chemischen Reinigung abzuholen. Was ist mit diesen Schriftrollen so
anders?«
    »Himmel noch
mal, Angie!« explodierte er. »Du weißt verdammt gut, was so anders ist!«
    »He«, erwiderte sie ruhig,
»schrei mich nicht an. Ich bin im selben Raum. Schon gut, schon gut, die Rollen
bedeuten dir viel. Und sie sind anders als alles, was du bisher erhalten hast.
Aber du hast gesagt, die fünfte Rolle käme vielleicht heute. Kannst du
es nicht darauf ankommen lassen und mit mir nach San Diego fahren?« Ben
schüttelte den Kopf.
    »Weißt du, es ist nicht nett
von dir, mich so zu enttäuschen. Das hast du bisher noch nie getan.«
    »Es tut mir leid«,
verteidigte er sich schwach.
    »Also gut. Ich werde
versuchen, dich zu verstehen. Du mußt mich nur für diese niederschmetternde
Enttäuschung entschädigen.«
    »Hör zu, Angie«, sagte er
rasch, »wenn ich die Rolle heute nicht bekomme, gibt es keinen Grund, warum wir
nicht morgen früh nach San Diego fahren und den Tag dort verbringen können.«
Sie schaute ihn traurig und liebevoll an. »Wird es immer so sein, wenn man mit
einem Schriftenkundler verheiratet ist?«
    »Das kann ich dir nicht
sagen. Ich bin nie mit einem verheiratet gewesen.«
    Sie lachte
und küßte ihn auf die Wange. Das Aroma von frisch gebrühtem Kaffee erfüllte die
Luft. »Geh duschen und zieh dich an. Ich kann ebensogut mit dir auf die Rolle
warten, und wenn sie nicht mit der Nachmittagspost kommt, können wir schon
heute abend nach San Diego aufbrechen. Was hältst du davon?«
    Ben duschte
ausgiebig. Er war sich der Tatsache bewußt, daß ihm der Gedanke an Angies
Gesellschaft leicht widerstrebte. Obwohl er es ihr nicht erklären konnte und es
in der Tat nicht einmal selbst verstand, hatte er doch das dringende Bedürfnis,
bis zur Ankunft der fünften Rolle allein zu bleiben. Es schien ihm, als müßte
er sich wieder auf David vorbereiten.
    Sie saßen schweigend über dem
Kaffee, wobei Angie ständig aus dem Fenster blickte und nach Regen Ausschau
hielt, während Ben an die nächste Rolle dachte.
    Als er seinen schwarzen
Kaffee umrührte, schweifte er in Gedanken ab, bis er schließlich ein Gesicht
vor sich sah, daß er sich schon lange nicht mehr vergegenwärtigt hatte: die
große Nase und die langwimprigen Augen von Salomon Liebowitz. Damals war
Salomon ein gutaussehender junger Mann gewesen, mit einem muskulösen Körper und
markantem Gesicht. Er hatte lockiges, schwarzes Haar gehabt, einen recht
dunklen Teint und einen sinnlichen, vollen Mund. Die Leute hatten die beiden
Jungen oft wegen ihrer äußeren Erscheinung aufgezogen: der eine ein
dunkelhäutiger, semitischer Typus und der andere ein blasser, blauäugiger
Blondschopf. Vom Aussehen her waren sie so verschieden wie Tag und Nacht, doch
was ihre Gesinnung und Einstellung anbetraf, hatten sie gut zusammengepaßt.
Beide verfügten sie über einen außergewöhnlichen Ideenreichtum und waren bei
ihren Streifzügen durch Brooklyn unzertrennlich. In der Jeschiwa waren sie
ausgezeichnete Schüler gewesen, die miteinander um das Lob der Lehrer
wetteiferten. Sie saßen häufig bis spät in die Nacht beieinander, lernten
zusammen und trafen später gemeinsame Verabredungen mit Mädchen.
    Welch eine Überraschung war
es da gewesen, daß sie, als sie nach Beendigung der Jeschiwa auf eigenen Füßen
standen, so entgegengesetzte Wege eingeschlagen hatten. »Ben?«
    Er konzentrierte seinen Blick
auf Angie.
    »Ben? Du hast kein Wort von dem,
was ich sagte, mitbekommen. Denkst du über die Rollen nach?« Er nickte.
    »Willst du mir davon
erzählen?« Angie legte ihren Kopf zur Seite. Ben konnte sich nicht genau
erklären, warum Angie ihn heute morgen so reizte. Wahrscheinlich lag es daran,
daß

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