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Der Fluch der Schriftrollen

Der Fluch der Schriftrollen

Titel: Der Fluch der Schriftrollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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doch war ich auch
weiterhin todunglücklich. Ich hörte auf, mein Haar zu kämmen, und ließ meine
Kleider zu Lumpen verwahrlosen. Ich würde keinen Mann je mehr meinen Freund
nennen können noch die Frau, die ich liebte, je wieder ansehen können. Ich
würde mein Leben lang ein erbärmlicher Briefeschreiber inmitten des Kotes und
der Fliegen auf dem Marktplatz bleiben. Ich würde mich zu der Masse
gesichtsloser Wesen gesellen, die ebenfalls von Gott verlassen worden waren.
    Eines Tages, als ich in der
Sonne schwitzte, während sich der Dreck in meine Haut einbrannte, sah ich den
Saum eines vertrauten Umhangs an mich herankommen. Als ich aufschaute, glaubte
ich, meinen Augen nicht zu trauen, denn es war Saul, und er lächelte mir zu.
»Bitte geh weg«, rief ich ihm zu und versuchte, mich vor seinem Blick zu
verstecken. Doch Saul kniete im Staub nieder und betrachtete mich ernst. Dann
sprach er: »Mein lieber Bruder, ich habe wieder und wieder die ganze Stadt nach
dir abgesucht. Es ist kein Tag vergangen, an dem ich nicht die Gesichter der
Menge studiert hätte, in der Hoffnung, darunter meinen treuen David zu
erblicken. Wie habe ich dich vermißt!«
    Als er mich umarmen wollte,
stieß ich ihn zurück und rief: »Verunreinige dich nicht selbst in meiner
Gegenwart. Laß mich in Ruhe und geh deiner Wege. Ich habe gebetet, daß du mich
vergessen mögest und daß meine Familie mich für tot hielte. Erzähle ihnen
nicht, daß du mich gefunden hast, Saul!«
    Seine Stimme klang traurig,
als er antwortete: »Sie denken tatsächlich, du seist tot, denn seit drei
Monaten hat dich niemand mehr gesehen noch von dir gehört. Wir finden dich
nicht auf der Straße und begegnen dir auch nicht im Tempel bei der Andacht. Nur
zufällig habe ich heute nach unten geblickt und meinen Bruder erkannt.«
    »Ich kann nicht in den Tempel
gehen, Saul, denn ich würde es niemals wagen, Gottes heiligen Boden zu
entweihen. Sprich, was denkt mein Vater über dies alles?«
    »Er war über das Geschehene
tief betrübt, David. Trotzdem betet er täglich, daß du zu ihm nach Hause
zurückkehren mögest.« Seltsamerweise war es aber nicht die Meinung meines
Vaters, die mir das Herz schwermachte. »Und Eleasar?« fragte ich. »Am Tage, als
du weggingst, raufte sich Eleasar die Haare und zog die Trauerkleidung an. Er
trägt sie bis auf den heutigen Tag und hat nicht ein Mal deinen Namen
ausgesprochen. Doch höre, David, er betet jetzt doppelt soviel, und man kann
ihn bis spät in die Nacht weinen hören. Seitdem du uns verließest, leben wir in
einem Haus der Trauer. David, ich liebe dich wie meinen Bruder; ohne dich kann
ich nicht leben. Bitte, komme zurück!« Doch ich wußte, daß dies unmöglich war,
denn Eleasar war ein stolzer Mann, und ich hatte sein Gesetz befleckt. Bevor
Saul fortging, mußte er mir versprechen, niemandem etwas von mir oder von
dieser Begegnung zu erzählen und niemals zurückzukommen. Er gab mir sein Wort.
    Ein Monat verging, bevor ich
ein zweites Mal Besuch bekam. Rebekka, die ebenfalls die Stadt nach mir
abgesucht hatte, fand mich unter den Straßenhändlern, Bettlern und Eseln, und
sie kniete sich vor mich hin und bat mich, zurückzukehren. Sie sprach: »Ich
liebe dich, David Ben Jona, und kann es nicht ertragen, dich so zu sehen. Komm
mit in mein Haus. Mein Vater wird dich bei sich aufnehmen.«
    Doch ich wußte, daß auch dies
unmöglich war, denn ich dachte an Eleasar, und dieser war ein stolzer Mann, und
ich hatte sein Gesetz befleckt.
    Ich war innerlich so
zerrissen von Rebekkas Besuch und vom Anblick der Tränen in ihren lieblichen
Augen; so elend fühlte ich mich danach, daß ich meinen guten Platz auf dem
Marktplatz aufgab und mich jenseits der Stadtmauern niederließ, wo man mich
nicht finden konnte, wo aber auch weniger Kunden hinkamen. Eines Tages, als ich
wie gewöhnlich, von Fliegen umschwirrt, im Schmutz saß und an einem Stück
hartem Käse knabberte, stand plötzlich ein hochgewachsener, bescheiden
gekleideter Mann vor mir. Er hatte die Sonne im Rücken, so daß ich nur seine
Umrisse wahrnahm. »Wie hoch ist dein Honorar?« fragte er mich. »Ein Schekel für
den Papyrus und das Schreiben, Meister, und zwei Schekel für den
Karawanenführer.«
    »Wie weit kannst du einen
Brief schicken?« fragte er weiter. »Ich stehe in Verbindung mit Männern, die
bis nach Damaskus, Alexandria und sogar bis nach Rom reisen. Um einen Brief
weiter zu schicken, wie etwa nach Gallien oder Britannien, müßt Ihr Euch nach
einem

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