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Der Fluch der Totenleserin totenleserin4

Der Fluch der Totenleserin totenleserin4

Titel: Der Fluch der Totenleserin totenleserin4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: franklin
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Mädchen außer Hörweite war: »Was ist sie jetzt? Heilige Muttergottes, Ihr habt sie zugrunde gerichtet.«
    Die Narbe würde zweifellos fürchterlich werden. Adelia war keine geschickte Näherin, und als sie Joanna am siebten Tag die Fäden zog, war die Wunde eine schrecklich runzelige Obszönität in dem ansonsten perlweißen jungen Fleisch.
    Adelia sagte nichts zu ihrer Verteidigung. Sie war voller Demut. Sie sah in der Wunde ein erstaunliches Sinnbild für die Überlebensfähigkeit des menschlichen Körpers, für die Heilkräfte jungen Fleisches und für die Liebe Gottes, der ihr, der Urheberin dieser Wunde, ihre Kühnheit mit einem Wunder vergeben hatte.
     
    So sehr O’Donnell auch drängte, die lange Reise die italienische Küste hinunter zu beginnen, bestand Adelia darauf, dass sich Joanna nach dem Entfernen der Fäden noch eine weitere Woche erholte. Das Kind machte gute Fortschritte, dennoch wies Blanche vorwurfsvoll darauf hin, dass sich die Prinzessen mit einer gewissen Steifheit bewege, als sie am dritten Tag nach dem Fädenziehen, dem zehnten nach der Operation, die ersten Schritte über den Hof machen durfte.
    Vier weitere Tage also noch, um den Muskeln Erholung zu bieten und festzustellen, was für ein reizendes Kind sie war. Joanna fehlten Eleonors Unternehmungsgeist und Henrys Herrschernatur, dafür hatte sie aber ihren ganz eigenen Liebreiz. Eine Nähe wuchs zwischen ihnen allen, die der Prinzessin erlaubte, ihre königliche Distanziertheit abzulegen und sich fröhlich und unbeschwert zu geben. Ulf erzählte ihr schauerliche Geschichten von Hereward dem Geächteten, die sie entzückten, auch wenn sich der Großteil der Heldentaten dieses Mannes der Marschen gegen ihren Ururgroßvater William, den Eroberer gerichtet hatte. O’Donnell kannte ähnlich schreckliche Piratengeschichten, und Mansur, für den sie eine große Achtung entwickelte, verfeinerte ihr Schachspiel.
    Sie war ganz fasziniert von Boggarts Baby, und wie es die kleinen Finger um die ihren schloss. Sie wollte wissen, ob eine Geburt wehtat – »Mama sagt, nicht sehr« –, und Boggart antwortete taktvoll: »Nicht mehr als von Natur aus.«
    Am meisten aber faszinierte sie Adelia. Wie alle praktizierenden Ärzte hatte Doktor Arnulf sie gelehrt, dass die Medizin eine okkulte Wissenschaft sei, zu der allein er den Schlüssel besitze. Dass sie im Gegensatz dazu tatsächlich etwas war, das selbst eine Frau zu beherrschen vermochte, war für Joanna nur schwer zu begreifen.
    »Aber wenn Gott bestimmt hatte, dass ich sterben sollte, war es dann keine Sünde, sich gegen ihn zu wenden?«
    »Warum sollte Gott etwas gegen unser Wissen bestimmen? Es ist da, eine Quelle der Kraft, die er geschaffen hat, damit wir sie nutzen. Absichtvolles Nicht-wissen-Wollen, das ist die Sünde. Offensichtlich wollte er Euren Tod
nicht.
Mistress Blanche wusste das.«
    »Also war es ein Wunder?«
    Oje! Sie wollte das Mädchen nicht glauben machen, dass sie, Adelia, eine Heilige sei. »In dem Sinne, dass die Natur ein Wunder ist. Die Natur hat Geheimnisse, die wir, so wünscht es Gott, lernen sollen. Wenn er es nicht wollte, würde ein Waffenschmied kein Schwert schmieden können, keine Kräutersammlerin wüsste, wie sie die gesundheitsfördernden Eigenschaften der Pflanzen nutzen kann. Ich bin keine Hexe und kann auch keine Wunder wirken. Ich bin nur eine Handwerkerin, nicht mehr und nicht weniger, die in eine Schule gegangen ist, in der man es für richtig hält, die Dinge verstehen zu lernen, die Gott geschaffen hat, um das Leiden Seiner Geschöpfe, von uns Menschen, zu lindern. Wie alle Dinge, die wir tun, hätte auch Eure Operation scheitern können, und so danke ich Gott jeden Tag für seine Gnade, dass es nicht so war.«
    Joanna lächelte. »Genau wie ich.« Und dann wurde sie königlich hoheitsvoll: »Mein Vater wird ewig in Eurer Schuld stehen, ebenso wie mein Bräutigam.«
    Ihr Bräutigam. Sie war jetzt elf Jahre alt. In Figères hatten sie ihren Geburtstag gefeiert.
    Die beiden wurden Freundinnen. Jeden Abend, wenn Adelia nach Joannas Wunde sah, musste sie von ihrer Kindheit erzählen, die der Prinzessin ungeheuer exotisch vorkam. Von Allie ließ sie sich ebenfalls gern erzählen. »Mama liebt Tiere auch sehr. Die beiden werden sich gut verstehen.« Und dann wurde sie plötzlich schwermütig: »Wie schön es sein muss, Allie zu sein.«
    Adelia wollte sie in diesem Moment unbedingt aufmuntern, sodass sie aus einem Impuls heraus sagte: »Wir könnten

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