Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Fluch der Totenleserin totenleserin4

Der Fluch der Totenleserin totenleserin4

Titel: Der Fluch der Totenleserin totenleserin4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: franklin
Vom Netzwerk:
Mistress Blanche, »Geht und helft ihr.«
    »Aber ich …«
    »Helft, habe ich gesagt.«
Adelia biss sich auf die Lippe. Schließlich war die Hofdame eine tapfere, liebevolle Frau. »Blanche, meine Liebe, Ihr hattet den Mut, Joanna zu mir zu bringen. Jetzt müsst Ihr sie mir überlassen.«
     
    Länger als ein Stunde schon hockten Ulf und Johann mit seinen Enkeln auf dem Hof, in gehöriger Entfernung vom Tisch in der Mitte. Wie Menschen, die einem heiligen, schrecklichen Ritus verfolgten. Was sie ja auch taten.
    Trotz der hellen Sonne war es bitterkalt. Mansur stand über den Tisch gebeugt da, hielt mit den langen Fingern der linken Hand die Ränder des aufgeschnittenen Fleisches auseinander, wischte mit der Rechten das Blut ab und zitterte am ganzen Leib. O’Donnell stand daneben an einem kleineren Tisch, auf dem Werkzeuge und Flaschen auf einem Tuch ausgebreitet waren, und auch er zitterte trotz des Kohlenbeckens neben sich.
    Joanna war in ihrem Laudanumschlaf eine frische Decke um Kopf, Arme und Beine gelegt worden, aber das Fleisch ihres nackten weißen Bauches war von einer Gänsehaut überzogen. Unten rechts klaffte die Wunde.
    Oben im Bergfried kamen Boggarts Wehen schnell und mit großer Kraft. Ihr tiefes, lautes, unfreiwilliges Schnauben schallte wie Hörnerklang über den Hof.
    Adelia hörte und spürte von alledem nichts, nichts von der vergehenden Zeit, den Leuten um sie herum und der Angst. Ihr schien nicht einmal mehr bewusst, dass sie hier einen Menschen operierte. Sie kämpfte mit dem Feind, einem prallen, gelblich schimmernden, rotgeäderten, wurmförmigen Zipfel, den sie mit ihrer Pinzette kaum vom übrigen Gedärm losbekam. Er war noch nicht geplatzt, Gott sei Dank! Aber das alles dauerte zu lange.
    Endlich hatte sie ihn. Ihn mit der Pinzette haltend, gestikulierte sie in O’Donnells Richtung, ihr ein Messer zu geben, und schnitt ihn ab.
    »Das Brenneisen, schnell!«
    Es gab ein Zischen. Der Körper auf dem Tisch bäumte sich auf, und Mansur drückte Joanna auf Adelias kurzen Blick hin den Schwamm, den er in der Hand hielt, unter die Nase.
    Der Wurm landete in einem Eimer.
    Jetzt das Zunähen. »Die Nadel!« O’Donnell gab ihr die gekrümmte Stahlnadel aus Blanches Nähsachen. Am Ende verknotete sie den Faden.
    »Den Branntwein.« Sie tropfte Alkohol über die Wunde und bedeckte sie mit feinem Stoff.
    Als sie fertig war, nahm Adelia selbst einen Schluck von dem Schnaps, setzte sich auf die Erde und starrte in die Leere, die Flasche immer noch in der Hand.
    Sie sah erst auf, als Fabrisse mit einem laut brüllenden Baby auf dem Arm in den Hof kam.
    Joanna atmete, aber der Kampf um ihr Leben war noch nicht zu Ende. Jetzt lag alles in Gottes Hand. Adelia hatte ihr Bestes getan. Ob es gut genug gewesen war, musste sich noch erweisen.
     
    Ein Weile sah es so aus, als hätte der Herr gegeben und würde nun nehmen. Donnell, wie der neugeborene Junge genannt wurde, machte sich prächtig, während Joanna ins Delirium fiel und Adelia in Panik geriet.
    Der Ire ruderte zu seinem vor Anker liegenden Schiff, um den Passagieren zu berichten, dass es mit der Prinzessin noch auf Messers Schneide stehe, »Lord Mansurs Fürsorge« ihr jedoch guttue.
    Er ging nicht auf ihre Forderung ein, sie an Land zu bringen, und befahl seiner Mannschaft, alle an Bord zu halten. Wasser, Wein und Essen würden zu ihnen hinausgebracht werden.
    Von der Operation wurde niemandem etwas gesagt. Starb Joanna, war sie der Krankheit erlegen, die der Grund für ihre Entführung gewesen war, was Mansur und Adelia einen gewissen Schutz bot. Wobei sie von Arnulf und den anderen sowieso für den Tod der Prinzessin verantwortlich gemacht werden würden, aber das Verschweigen der Umstände würde sie vielleicht vor der sonst so gut wie sicheren Hinrichtung retten.
    Selbst Henrys  II . Zuneigung zu Adelia würde kaum Bestand haben, wenn er erfuhr, dass seine Tochter gestorben war, nachdem sie ihr den Leib aufgeschnitten hatte.
    Zweilfelhaft war, ob Blanche dauerhaft zu schweigen vermochte. Sie war zwischen zwei riesigen, sie erdrückenden Felsen gefangen, zwischen die sie sich selbst manövriert hatte. Blanche schüttete ihren Gram und ihre Selbstverdammnis über Adelia aus, während die beiden an Joannas Bett wachten. Einmal hieß es: »Ihr habt sie getötet«, dann wieder: »Ich hätte sie sterben lassen sollen, statt sie zu Euch zu bringen.«
    Selbst als Joannas Fieber nachließ, hörten die Ausbrüche nicht auf, allerdings nur, wenn das

Weitere Kostenlose Bücher