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Der Fluch der Totenleserin totenleserin4

Der Fluch der Totenleserin totenleserin4

Titel: Der Fluch der Totenleserin totenleserin4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: franklin
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es«, sagte Mansur. »Habe ich nicht gesagt, dass es in der Stadt weniger Moscheen gibt als früher?«
    Aveyron.
    Adelia stand auf und öffnete die Tür zum Garten, damit sie atmen konnte. Nicht hier, Gott, nicht auch hier!
    Sie hatten versucht, ihre Mutter zu steinigen, sie zu
steinigen,
in
Salerno,
das einmal der Kochtopf gewesen war, in dem die größten sozialen, politischen und wissenschaftlichen Fortschritte entstanden, welche die Welt je erlebt hatte. Adelia hatte gedacht, dass sich dieser Geist weiter ausbreiten und dankbar von all den Männern und Frauen aufgenommen werden würde, die intelligent genug waren, sich eine Zukunft vorzustellen, in der es keine rassistischen oder religiösen Konflikte mehr gab.
    Lass die Sonne nicht untergehen!
    Aber die Sonne
ging
unter. Ein riesiger orangefarbener Halbkreis tauchte den Garten in bernsteinfarbenes Licht, als sie hinter den Horizont sank. In der Ferne konnte man den Aufruf zum Abendgebet hören von Minaretten und Campanilen. In der Stadt strichen in diesen Momenten weiße Arabergewänder, normannische Jacken, Mönchskutten und jüdische Umhänge aneinander vorbei, deren Träger in Moscheen, Synagogen und Kirchen eilten, um ihren jeweiligen Religionen zu folgen.
    Doch Mansur hatte recht. Was einst ein musikalisch misstönender Zusammenklang gewesen war, wurde heute vom Läuten zum katholischen Vespergottesdienst übertönt.
    Nicht Aveyron! Nicht hier!
    Gershom trat neben sie. Er legte den Arm um sie. »Ich sage es mit tiefem Gram, mein Kind, aber du würdest heute nicht mehr in Salerno studieren können.«
    Adelia starrte ihn an. »Es sind keine Frauen mehr zugelassen?«
    »Keine Frauen. Und Leichenöffnungen sind auch nicht mehr erlaubt. Hin und wieder zweigt der alte Patricio noch heimlich die Leiche eines Bettlers für mich ab, aber …« Sein Hände hoben sich zum Himmel. »Wie können wir den menschlichen Körper heilen, wenn wir nicht wissen, wie er funktioniert?«
    Nebeneinander standen sie da und verfolgten, wie sich der große Halbkreis in Gold verwandelte, zu einem letzten, glühenden Strich wurde, ganz hinter dem Horizont verschwand und sie im Dunkeln zurückließ.
     
    Oben unter dem Dach von Signor Ettores Herberge sitzt Scarry auf der stinkenden Matratze seines Rollbetts und starrt unbewegt auf den bröckelnden Putz der Wand.
    Ettores Frau hat recht, was seine Augen betrifft. Aber sie sind auf ihre Weise schön, schmale Schlitze mit einem klaren, dunklen Rand in völligem Weiß und ohne jedes Gefühl. Es sind Wolfsaugen.

Kapitel vierzehn
    In seiner ganzen Geschichte hatte Palermo nicht so einen Glanz erlebt wie bei der Hochzeit seines Herrschers mit der Tochter des englischen Königs. Die Stadt wurde von so vielen Laternen und Fackeln erhellt, dass ihr Lichtschein den düsteren Himmel erstrahlen ließ und die Menschenmassen, die Straßen und Gassen so gut wie unpassierbar machten, mit zusätzlichem Leben übergoss.
    Die in der Kathedrale versammelten Besucher bildeten ein einziges, strahlendes Juwel mit unzähligen Farben.
    Wie die anderen privilegierten, in einen eigenen, abgetrennten Bereich des Kirchenschiffs gedrängten Frauen trug Adelia einen Schleier. Zwei Jahrhunderte arabischer Herrschaft hatten ein islamisches Erbe hinterlassen, von dem sich die Frauen erst noch befreien mussten.
    Boggart und Doktor Lucia saßen, ebenfalls verschleiert, in einer Art Loge hoch oben im südlichen Fenstergeschoss, einem christlichen Einbau in diesem Gebäude, das einstmals Palermos größte Moschee gewesen war. Sie saßen hinter einer fein verzierten Blende mit einer Klappe, die sich schließen ließ, sollte Donnell schreiend nach seiner nächsten Mahlzeit verlangen.
    Mansur, der zusammen mit Ulf und Doktor Gershom unter den vielen Männern auf der anderen Seite des Kirchenschiffs stand, hatte zu seiner alten Vorsicht zurückgefunden und den Frauen, als sie das Castello verließen, die Teilnahme an der Zeremonie verboten, es sei denn, sie trügen einen Schleier.
    »Scarry könnte in der Kathedrale sein. Er kennt unsere Gesichter, aber wir seines nicht.«
    Doktor Gershom war ganz dagegen gewesen, dass Adelia mitkam, aber sie hatte es Joanna versprochen und würde es auch tun.
    Die Diskussion hatte sich ein ganze Weile hingezogen. Sie sollten in Sänften zur Kathedrale getragen werden wie irdische Potentaten, und als Mansur, dessen Größe diese Art des Transportes zu unbequem für ihn machte, sagte, er wolle neben ihnen hergehen, war es zu einem Aufschrei

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