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Der Fluch der Totenleserin totenleserin4

Der Fluch der Totenleserin totenleserin4

Titel: Der Fluch der Totenleserin totenleserin4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: franklin
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doch verblüfft.
    »Hast du seine Augen gesehen?« Agata bekreuzigt sich. »Eine Gänsehaut hab’ ich gekriegt. Und kein Wort hat er gesagt. Lass mich mit diesem Kerl nicht allein!«
    Auch ihren Mann hat dieser neue, stumme Gast verstört, aber ein Gold-Tari ist ein Gold-Tari. »Er bezahlt gut«, sagt er noch einmal.
     
    »
Noch
ein Geschenk, Rafiq?«
    Der Majordomus legte die Hände wie eine Schale zusammen, als böte er ihr einen Schluck Wasser an. »Vom Glorreichen, Mylady. Ich soll sagen, dass es heute Morgen mit dem Schiff gekommen ist. Es ist im Brunnenhof. Wenn Ihr mir bitte folgen wollt? Es ist ein Geschenk für Euch und für Lord Mansur.«
    Adelia sah, dass Mansur die Hand auf den Dolch unter seiner Schärpe legte, als sie in den Brunnenhof hinübergingen. Selbst hier war er nie so entspannt wie sie, ständig schweifte sein Blick über die Mauern des Gartens, als rechne er damit, das Scarry mit einem Messer zwischen den Zähnen über sie gesprungen kam.
    Der Himmel war schon den ganzen Tag bedeckt gewesen, und das aus dem Löwenkopf in der Wand sprudelnde Wasser verlieh der Luft im Brunnenhof eine feuchte Kühle. Zwei Personen, ein Mann und eine Frau, standen unter einer der Palmen und verfolgten den Lauf des Wassers, das durch eine Rinne im gefliesten Boden lief.
    Sie drehten sich um.
    Der Mann hatte einen kurz geschnittenen Bart und humorvolle Augen. Er war etwas kleiner als die elegante Frau neben ihm.
    Es war das Paar, das einst bei einer Erkundungswanderung auf dem Vesuv ein schreiendes verlassenes Baby gefunden hatte. Selbst kinderlos, hatten die beiden das Baby mit nach Hause genommen, es großgezogen und ihm ihre Liebe angedeihen lassen. Das Kind hatte von ihrer außergewöhnlichen Intelligenz und Aufgeschlossenheit profitiert, und als seine Pflegeeltern herausfanden, dass es ihnen von seiner Verstandeskraft her ebenbürtig, wenn nicht gar überlegen war, hatten sie es in die Medizinerschule von Salerno geschickt, an der sie beide als Lehrer arbeiteten.
    Adelia stolpert auf sie zu und nahm sie in die Arme, drückte sie an sich und spürte auf ihren Wangen die gleichen Tränen der Dankbarkeit, die auch ihre Pflegeeltern vergossen.
     
    Das Essen war beendet, aber das Erzählen und Erklären noch lange nicht, und so saß die Gesellschaft, auch nachdem die Teller längst abgeräumt waren, weiter um die Tafel herum.
    »Aber das ist ja schrecklich«, sagte Doktor Gershom nicht zum ersten Mal. »Wer ist dieses Ungeheuer? Dass so etwas unserem Liebling widerfährt!«
    »Wir müssen die Ruhe bewahren«, sagte Doktor Lucia zu ihm. Das war ihr Mantra. »Jibril wird den Wahnsinnigen finden und einsperren.«
    »Das sollte er besser. So lange lasse ich sie nicht aus den Augen.« Er sah seine Frau an. »Ich
bin
ruhig, Frau.«
    »Nein, bist du nicht. Das bis du nur, wenn du dich um deine Patienten kümmerst. Wir werden dich alle überleben, alter Mann.«
    Es war ein ewiges Ritual zwischen den beiden, und nur Ulf und Boggart hielten es verblüfft für den Beginn eines ernsten Streites.
    Adelia und Mansur sahen sich an und lächelten. Zwischen den beiden Alten hatte sich nichts geändert. Dieses ungleiche Paar stritt und neckte sich, und manchmal beleidigten sich die beiden auch auf eine Weise, die Fremde irritierte, besonders solche, die wie die meisten sizilianischen Eheleute in der Öffentlichkeit ausgesucht höflich miteinander umgingen, ganz gleich, was sich hinter geschlossen Türen zwischen ihnen zutragen mochte. Wer immer Gershom und Lucia jedoch besser kannte, wusste, dass sich hinter ihrer Streiterei eine gegenseitige Hingabe verbarg, die so tief reichte, dass sich beide einst lieber von ihren Familien hatten ächten lassen – die eine römisch-katholisch, die andere jüdisch – als
nicht
zu heiraten.
    Es war Adelia nie in den Sinn gekommen, die Auseinandersetzungen ihrer Pflegeeltern könnten etwas anderes als Ausdruck persönlicher Freiheit und Unabhängigkeit sein. Die Wurzeln des Baumes, der ihr solchen Schutz bot, konnten ihren Halt nicht verlieren.
    »Und dass Henry Plantagenet eine Mutter von ihrem Kind trennt«, rief Doktor Gershom, »ist das königlich? Selbst dieser tief in der Wolle gefärbte Rohling müsste da zögern. Ich will meine Enkelin sehen.«
    »Wir sehen sie, wenn wir nach England fahren«, sagte seine Frau.
    Adelia schnappte nach Luft. »Ihr kommt nach England? Wann? Warum habt ihr mir nichts davon gesagt?«
    Doktor Lucia sagte: »Vor einiger Zeit hat uns jener für deinen Vater

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