Der Fluch Des Bierzauberers
haben viele Tote und Weggegangene zu beklagen. Überall gibt es Mangel an guten Arbeitskräften. Ihr scheint ein guter und gebildeter Mann zu sein. Und Ihr«, er wandte sich an Magdalena, »eine tapfere und starke Frau.«
»Wir werden hart arbeiten, Ihnen keine Schande machen und der Stadt nicht zur Last fallen«, beeilte sich Knoll zu erklären.
»Das weiß ich doch!« Oetz schüttelte verständnisvoll den Kopf. »Aber eines solltet Ihr wissen: Es wird immer wieder Scharmützel um die Stadt geben, und Soldaten werden uns so lange Ärger bereiten, bis dieser gottverfluchte Krieg anständig beendet ist. Und wenn es Ärger gibt, dann stehen wir alle zusammen. Egal ob Katholiken oder Protestanten, wer innerhalb der Stadtmauern ist, kämpft auf unserer Seite. Wenn ich Euch die Bürgerrechte verleihe, dann ist es auch Eure Stadt. Versteht Ihr das?«
»Genauso selbstverständlich, wie ich Magdeburg verteidigt hätte, wenn es möglich gewesen wäre.«
»Und um die Hand- und Spanndienste, die jeder Bürger zum Erhalt unserer Stadtbefestigung leisten muss, werdet Ihr ebenfalls nicht herumkommen.«
Knoll nickte zustimmend.
»Die gute Nachricht jedoch lautet: In Zeiten wie diesen sind Neubürger für die ersten zehn Jahre von allen Steuern und Abgaben befreit.« Oetz grinste breit. »Ein Privileg, dessen ansonsten nur ich als Stadtrichter, unsere Schöffen und unser städtischer Kuhhirte teilhaftig werden.« Er legte Knoll väterlich die Hand auf die Schulter.
»Indes, Ihr müsst Euch den Lebensunterhalt verdienen. Mit Arbeit. Ehrlicher Arbeit.«
Der Stadtrichter nahm eine Liste vom Tisch mit der Bemerkung: »Das ist die Herdpfennigsliste. Da stehen alle drin, die zur Zahlung des Herdpfennigs verpflichtet sind, also auch alle Handwerker.« Dann las er laut vor.
»Wir haben zurzeit folgende Berufe ansässig bei uns in Bitburg: Türwärter, Gerichtsschreiber, Stadtschreiber, Stadtbote, Stadtschöffe, Stadtpförtner, Küster, Landwirt, Schankwirt, Krämer, Schmied, Schlosser, Schuhmacher, Schneider, Leinenweber, Wollweber, Zimmermann, Fassbinder, Schreiner, Brauer, Bäcker, Metzger, Barbier, Tagelöhner.«
Er hielt inne und fragte Knoll: »Könnt Ihr Euch irgendein Handwerk vorstellen, welches hier nicht erwähnt ist und uns von Nutzen sein könnte?«
Knoll erkannte bewundernd, dass Oetz von Anfang an schon weitergedacht und die Liste nicht zufällig auf dem Tisch gelegen hatte. »Nun, was ich kann, das ist Bier brauen und Fässer binden. Und beides nicht schlecht.«
»Hört, Knoll, ein zweites Brauhaus wird es nicht geben, die Ernte wirft schon nicht genug gutes Getreide ab für eines. Zumindest solange der Krieg andauert, schlagt Euch das aus dem Kopf.«
»Und die Fassbinderei?«
»Wir haben zwei davon, ob eine dritte ihren Mann ernährt?«
Plötzlich stutzte Oetz. Ein Leuchten ging über sein Gesicht, seine Knollennase rötete sich, als habe er soeben die Lösung aller Probleme gefunden. »Geht zu Flügel, gleich morgen. Ich glaube, wir sollten auch an morgen denken.«
Dann weihte er Knoll unter vier, beziehungsweise sechs Augen in seinen Plan ein.
Nicht nur Flügels Brauhaus litt unter dem Krieg. Es gab kaum Getreide, und das, was gut war, wurde selbstverständlich verbacken, nicht verbraut. Die Hopfengärten in Holsthum, etwas außerhalb von Bitburg gelegen, waren genauso häufig von durchziehenden Truppen verheert worden wie die Obstgärten und Getreidefelder.
Auch der Wohlstand der ganzen Familie Flügel, über Jahrhunderte mit gutem Bier erarbeitet, stand mittlerweile auf Messers Schneide. Als eine der wohlhabenderen Familien der Stadt hatten sie sich immer und überall an Kost und Logis vermeintlich befreundeter Truppen beteiligen müssen. Die Rationen waren nicht ohne: pro Tag und Mann zwei Pfund Fleisch, zwei Pfund Brot, zwei Maß Bier. Und als Schankwirt musste Flügel auch Soldaten bei sich unterbringen. Dieser sogenannte Servis durfte nicht berechnet werden und bestand aus Heu und Hafer, Salz, Brennholz und Licht.
Flügels Brauereigasthof ›Zum feisten Römer‹ bestand seit über zweihundert Jahren. Gegründet von Niklas von Hahnfurt, auf den auch die ursprüngliche Brauerei gleichen Namens an der Albachmühle zurückging. Schon vor längerer Zeit war diese Brauerei stillgelegt worden, da sie etwas außerhalb der Stadtmauern gelegen war, was in diesen unsicheren Zeiten ein zu großes Risiko darstellte. Gebraut wurde nur noch in der Petersgasse. Jedoch, der Name war
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