Der Fluch des Denver Kristoff
Freunde!«, rief sie aus. »Herzlichen Glückwunsch, dass ihr noch am Leben seid!«
Will zog seine Waffe. »Halt. Keinen Schritt weiter. Wer sind Sie? Was wollen Sie?«
»So ein mutiger junger Mann«, sagte die Windfurie. »Richtet das Gewehr auf eine unbewaffnete Frau.«
»Unbewaffnet? Sie haben versucht, uns einen verdammten Wald auf den Kopf zu werfen! Ich kann nichts dafür, dass Sie so schlecht zielen …«
»Will, wir haben dir doch von der Windfurie erzählt?«, flüsterte Cordelia. »Das ist sie. Du solltest sie lieber nicht …«
»Sie sind hier derjenige, der nicht zielen kann, Mr Draper«, sagte die Windfurie. »Sie treffen ja einen Menschen nicht einmal aus vier Metern Entfernung.«
Will knurrte wütend. Er ertrug es nicht, wenn jemand Lügen über seine Treffsicherheit verbreitete. Er drückte zweimal ab. BAMM! BAMM!
Die Windfurie ging ungerührt weiter.
»Seht euch das an! Und was für ein Hitzkopf er ist! Cordelia, hast du dich wirklich in diesen Kerl verliebt?«
Cordelia errötete, gab jedoch keine Antwort. Wie konnte die Windfurie wissen, was in ihrem Kopf vorging? Will prüfte seine Waffe, ob sie wirklich geladen war, und wich dann erschrocken zurück.
Die Windfurie war jetzt so nah, dass sie es deutlich rochen: Sie strömte den gleichen schwefligen Gestank aus wie bei ihrem ersten Angriff, jetzt außerdem noch überlagert von dem Verwesungsgeruch aus ihrem Mund.
Brendan richtete sich zu voller Größe auf. »Du willst uns umbringen? Dann streng dich mal ein bisschen an, Stinkmorchel! Du hast es ja schon einmal probiert. Wir sind zäher, als du denkst!«
»Da hast du recht. Ihr seid genauso widerstandsfähig, wie ich gehofft hatte«, sagte die Windfurie. »Wenn ich euch hätte töten wollen, hätte ich es längst getan. Ich habe euch hierhergeschickt, um zu sehen, was in euch steckt. Und ihr Walkers habt euch hervorragend geschlagen!«
»Wie meinen Sie das?«, fragte Cordelia und trat neben ihren Bruder.
»Ihr seid in keine nette Welt geworfen worden.«
»Ach, wirklich?«
»Ihr habt Slaynes Überfall überlebt. Ihr habt euch nicht von der etwas … wilderen Tierwelt fressen lassen. Ihr habt sogar erste Theorien darüber aufgestellt, wo ihr seid. Viele andere sind schon lange vorher gescheitert.«
»Das ist keine Theorie«, widersprach Cordelia. »Wir wissen, dass wir in den Romanen Ihres Vaters gefangen sind.«
»Genau und was ist mit unseren Eltern?«, rief Eleanor dazwischen, den trotzigen Tonfall ihrer Geschwister nachahmend. »Wohin haben Sie die verschleppt?«
»Oh, die sind in Sicherheit, meine Kleine«, sagte die Windfurie.
»Ich will sie sehen – jetzt!«, jaulte Eleanor. »Wo sind sie?«
»Nur Geduld«, sagte die Windfurie. »Bald werde ich euch wieder mit ihnen zusammenführen, vorausgesetzt, ihr befolgt meine Anweisungen.«
Mit einer raschen Handbewegung beschrieb die Windfurie einen kleinen Bogen in der Luft. Ihre Finger hinterließen dabei eine schimmernde, wirbelnde Spur und ein Buch erschien.
Es war kein echtes Buch; es flimmerte und glitzerte, der weinrote Einband trug keinen Titel. Ein Hologramm.
»Ist das ein weiteres Denver-Kristoff-Buch?«, wollte Cordelia wissen.
»Nicht ganz.« Noch einmal fuhr die Windfurie mit ihrer Hand durch die Luft. Ein Zeichen begann, sich in den Einband zu brennen: Es setzte exakt in der Mitte an – wie eine Flamme, die in einer ölgefüllten Rinne entlangzüngelt – und zeigte zwei Halbkreise: einen größeren, der sich wie ein Regenbogen wölbte, und einen kleineren, der wie ein Lächeln nach oben zeigte. Zwischen den beiden eine Iris …
»Das ist das, was Daddy diesem Typen auf den Bauch geritzt hat!«, platzte Eleanor heraus.
»Das Auge Gottes, das die Menschen der Antike benutzten, um große Macht darzustellen.« Die Windfurie lächelte. »Euer Vater hat es geritzt, weil dieses Buch eure Familie gerufen hat. Es wollte gefunden werden. Und dieses Buch bekommt immer, was es will. Es ist das mächtigste, verführerischste Buch in der Geschichte der Menschheit. Wisst ihr, wie es heißt?«
Sie schüttelten ihre Köpfe.
»Das Buch des Verderbens und Verlangens.«
»Das stand auf meiner Sommer-Leseliste«, sagte Brendan, »aber ich habe stattdessen Der weiße Hai gelesen. Worum geht’s in dem Buch?«
Die Windfurie hatte für solche Witze nicht viel übrig und unterdrückte ein wütendes Knurren. »In diesem Buch geht es nicht um irgendetwas. Wenn du es aufschlagen würdest, würdest du darin nur leere Seiten finden.
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