Der Fluch des Denver Kristoff
sie Will geküsst hatte, hatte sie vollständig die Kontrolle verloren. Sie war wie besessen gewesen von dem Gedanken an Das Buch des Verderbens und Verlangens und dass sie es unbedingt finden mussten. Als hätten ihre Lippen es nicht auf Will, sondern auf das Buch abgesehen.
Schweigend kehrten sie zurück zur Villa Kristoff, jeder in seine eigenen Gedanken versunken. Eleanor fragte schließlich: »Heißt das jetzt, wir finden Mom und Dad und gehen wieder nach Hause?«
»Das ist der Plan«, antwortete Cordelia.
»Und wie?«
Cordelia zuckte die Achseln. »Wir befolgen, was die Windfurie gesagt hat.«
»Keine Chance«, sagte Brendan. »Ich glaube der alten Schrulle kein Wort. Sei egoistisch, dann kriegst du, was du willst? Das ist doch ’ne Falle! Außerdem hast du es gerade versucht und es hat nicht funktioniert.«
»Vielleicht musst du es machen. Oder wir alle zusammen. Was sie gesagt hat, klang zumindest logisch. Wir sollten es versuchen.«
»Sie will uns nur in eine Falle locken. Ich bin sicher, wir finden einen anderen Weg zurück.«
»Nichts gegen dich, Cordelia, aber in diesem Punkt stimme ich mit Brendan überein«, sagte Will. »Frauen mit schimmeligen Zähnen traue ich einfach nicht.«
»Und er ist Engländer!«, trumpfte Brendan auf.
»Und ich sage trotzdem, wir sollten auf sie hören, zumindest bis wir das Buch gefunden haben, dann können wir sie immer noch überlisten«, sagte Cordelia.
»Ohne mich, Deli! Das ist superriskant …«
»Du hast ja bloß Angst!«
»Hab ich nicht!«
»Wisst ihr eigentlich, dass in eurer Familie außergewöhnlich viel gestritten wird?«, warf Will ein.
Eleanor stampfte mit dem Fuß auf. »HÖRT AUF ZU STREITEN!«
Die anderen zuckten zusammen. Eleanor konnte unglaublich laut schreien, wenn sie wollte.
»Wir wissen doch nur nicht, wem wir vertrauen können, weil wir überhaupt nichts wissen! Wir wissen nicht, in welchem Buch wir stecken; wir wissen nicht, warum die Windfurie ausgerechnet uns ausgesucht hat; und wir wissen nicht, ob diese Pferde mordenden Krieger zurückkommen! Bis wir das nicht herausgefunden haben, ist es völlig sinnlos, überhaupt irgendetwas zu tun!«
»Und wie sollen wir das alles herausfinden?«, fragte Brendan. »Siehst du hier irgendwo Wikipedia?«
»Wir könnten es nachlesen«, schlug Cordelia vor.
»Was lesen?«, fragte Brendan.
»Kristoffs Romane«, antwortete Cordelia. »Alle.«
»Prima, das ist eine gute Idee, würde ich sagen«, stimmte Will zu. »Dann sehen wir, in welchem Buch wir gefangen sind.«
»Wir wissen schon, dass Teile dieser Welt hier aus Die wilden Horden stammen«, sagte Cordelia, »und Will kommt aus Der Teufelsflieger . Aber war das schon alles?«
»Klingt cool«, freute sich Eleanor. »Wie bei einer Schnitzeljagd!«
»Stimmt«, sagte Cordelia, »aber als Erstes … Will, kannst du an der Tür Wache halten? Falls Slayne und seine Krieger auftauchen –«
»– Oder die kahlköpfige Stinkmorchel«, fiel Brendan ein.
»Oder der riesige Wolf, der mir beinahe den Kopf abgefressen hat«, ergänzte Eleanor.
»Okay, also falls irgendjemand hier auftaucht, rufst du uns und erschießt ihn«, sagte Cordelia. »Nicht unbedingt in dieser Reihenfolge.«
Will salutierte. »Stets zu Diensten.«
»Ich geh mal hoch und versuche, die Truhe oben im Schlafzimmer zu öffnen«, sagte Cordelia. »Vielleicht ist darin auch ein Hinweis versteckt.«
»Aber ich wollte die Truhe aufmachen«, maulte Eleanor, doch dann besann sie sich. »Schon gut … kein Streit mehr.«
Eleanor und Brendan gingen in die Bibliothek. Die Sonne hatte ihren höchsten Stand am Himmel erreicht und flutete den Raum mit hellem Licht. Da Eleanor schon mit Cordelia die Kristoff-Romane und die restlichen Bücher auseinandersortiert hatte, fühlte sie sich als Expertin auf diesem Gebiet – jedenfalls genug, um ihren Bruder herumzukommandieren.
Brendan kümmerte es nicht. Er startete mit einem Kristoff-Roman mit dem Titel Gladius Rex . Nach zwanzig Seiten war ihm klar, dass es keins der Bücher war, in dem sie gefangen waren. (Und darüber war er sehr froh, denn es handelte von Leuten, die massenhaft von Löwen gefressen wurden.) Er schaute zu Eleanor hinüber, die sich gerade durch Die wilden Horden kämpfte.
»Wie weit bist du?«, fragte er.
»Seite dreißig«, knurrte Eleanor mit verkniffenem Mund.
Brendan konnte sehen, dass sie log. »Super, Nell. Hier, lass uns mal tauschen«, schlug er vor. Zu wissen, was in der Geschichte von Die wilden Horden
Weitere Kostenlose Bücher