Der Fluch des Denver Kristoff
zurück an die Wand.
»Wo hast du deine Freunde gelassen, kleines Fräulein?«
»Hinter dir«, sagte Cordelia wahrheitsgemäß: Eleanor krabbelte direkt hinter dem Piraten aus dem Schacht.
»Glaubst du etwa, darauf falle ich rein?«
»Nein, bestimmt nicht«, sagte Cordelia. »Wie dumm von mir.«
Während der Pirat nur Augen für Cordelia hatte, kam Eleanor in seinem Rücken vorsichtig auf die Füße und hielt Ausschau nach einer geeigneten Waffe. Alles, was sie finden konnte, war der Briefbeschwerer mit dem Emblem von Dads Krankenhaus: ein schwarzer sechseckiger Brocken, ungefähr halb so groß wie eine Coladose. Eleanor streckte langsam die Hand danach aus, während Cordelia versuchte, Stumpf abzulenken.
»Ich schätze, du bist in deiner Piratenlaufbahn noch nie auf so dumme Tricks reingefallen. Dafür machst du einen viel zu intelligenten Eindruck …«
Stumpf zog erstaunt seine buschigen Augenbrauen zusammen und bekam eine steile Falte auf der Stirn. Er hatte in seinem Leben schon einiges zu hören gekriegt, aber dass er intelligent wäre, hatte noch nie einer behauptet. Plötzlich wurde er misstrauisch und neigte den Kopf leicht zur Seite – dabei erblickte er aus den Augenwinkeln Eleanor!
Cordelia schrie auf. Eleanor schubste den Briefbeschwerer auf dem Fußboden zwischen Stumpfs Beinen hindurch zu Cordelia. Der Pirat wirbelte herum und feuerte, glücklicherweise zu hoch, die Kugel streifte nur Eleanors Haare. Cordelia schnappte sich den Briefbeschwerer und hielt ihn über ihren Kopf. Fluchend zog Stumpf sein Entermesser, um mit Eleanor kurzen Prozess zu machen –
Doch dazu kam er nicht mehr: Sein Kinn wurde hochgeschleudert, als Cordelia ihm den Briefbeschwerer mit einem kurzen kräftigen Schlag auf den Hinterkopf donnerte.
Der Pirat sackte auf dem Fußboden in sich zusammen. Cordelia ließ den Briefbeschwerer fallen und Eleanor schnappte nach Luft. Brendan krabbelte nun auch aus dem Speisenaufzug.
»Alles klar? Braucht ihr Hilfe?«
»Du bist etwas spät dran«, pflaumte Cordelia ihn an.
»Wow, das habt ihr genial hingekriegt! Echte Mädchen-Power, was?«
»Halt die Klappe, Bren!«, schnauzte Cordelia und stieß ihn wütend in die Seite. »Du hättest uns beinahe umgebracht!«
»Tut mir leid«, sagte Brendan. »Aber ich wusste, dass ihr euch gut schlagen würdet.«
»Sollen wir die behalten?«, fragte Eleanor und zeigte auf eine von Stumpfs Pistolen. Der Pirat war immer noch bewusstlos.
»Das Ding wird uns nicht viel nützen«, meinte Brendan. »Auf Discovery Channel lief mal ein Film über Piraten. Die benutzen sogenannte Einzelschuss-Steinschlossgewehre. Man muss nach jedem Schuss nachladen, außerdem funktionieren sie nicht mehr, wenn sie mal feucht werden. Deshalb schleppen die Piraten immer so viele Pistolen mit sich herum.«
»Was ist mit seinem Säbel?«, fragte Eleanor.
»Den können wir nachher gut gebrauchen, um Will und Penelope zu befreien«, sagte Brendan. Er wollte gerade danach greifen, als Stumpf sich plötzlich regte.
Schnell flüchteten die Geschwister über die Galerie. Als Stumpf sich schließlich – immer noch reichlich benommen – aufgerappelt hatte, sahen die drei längst oben in der Dachkammer aus dem Fenster und überlegten, wie sie am besten hinüber zur Muräne kommen sollten.
48
M it dicken Seilen waren das mächtige Schiff und die schwimmende Villa Kristoff fest hintereinander vertäut, vom Dach der Villa bis hinüber zum Heck des Schiffes. Dort befand sich auch die Kapitänskajüte der Muräne, unschwer zu erkennen an den mit Ziegen und schreienden Menschengestalten bemalten Glasfenstern.
»Sangray wird uns an einen furchtbaren Ort verschleppen«, sagte Eleanor schaudernd.
»Wenn wir Will erst befreit und seinen Webley-Revolver wiedergefunden haben, kann uns nichts mehr passieren«, meinte Brendan zuversichtlich. »Damit könnte er diese Piraten mit links erledigen.« Doch als er das Getrampel ihrer Stiefel auf der Treppe hörte, wurde er blass.
Im nächsten Moment stürmten sie auf die Luke zur Dachkammer. »Wehe, ihr tötet sie! Nur lahm schießen, merkt euch das!«
»Das ist Captain Sangray«, hauchte Eleanor. »Der darf uns auf keinen Fall in die Finger kriegen!«
»Wie sollen wir da rüberkommen? Wieder durchs Wasser?«, fragte Brendan.
»Vielleicht geht’s auch so.« Cordelia kletterte auf den Fenstersims, während die Piraten sich mit ihren Riesenpranken bereits am Rand der Bodenluke festkrallten und fluchend und stöhnend versuchten, sich
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