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Der Fluch des Florentiners

Der Fluch des Florentiners

Titel: Der Fluch des Florentiners Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ackermann
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Asha. «
    » Was bedeutet das? «
    Sanjay lächelte und schwieg für einen Moment.
    » Akuti heißt Prinzessin. Und Asha bedeutet Hoffnung. Du bist also, wie meine Schwester es auch ist, eine Prinzessin der Hoffnung. «
    » Ich bin jetzt also eine Prinzessin aus dem Morgenland? Eine Mohrin? «
    »Ja.«
    Marie-Claire schloss wieder die Augen. Das beruhigende Dröhnen des Flugzeugs durchströmte sie. Aber die Erinnerung kam wieder. Die Bilder der Flucht: Sie war hässlich gewesen, mit ihren zerfransten, kurzen, wie von Mäusen angeknabberten Haaren. Zum ersten Mal hatte sie das vor dem kleinen Laden einer Frau am Stadtrand von Marrakesch in einem Spiegel gesehen, der an der Mauer des Krämerladen s h ing. Sie hatte geweint, so hässlich sah sie aus. Und so alt und zerschunden, mit tiefen Ringen unter den Augen. Für ein paar Dirhams hatte sie bei der Frau Henna gekauft. Und eine Flasche Sidi Harazen, Mineralwasser, mit der sie sich hinter einem Busch die Haare rötlich-braun gefärbt hatte. Dann war sie beim Bab Agnaou durch die Stadtmauer in die Souks von Marrakesch geschlichen. Mitternacht war es gewesen. Einige der winzigen Läden hatten noch geöffnet. So konnte sie für wenig Geld einige gebrauchte, europäische Kleidungsstücke kaufen. Wieder öffnete sie die Augen. Sanjay schien darauf gewartet zu haben. Sie mochte das Gefühl, neben ihm zu sitzen. Der Gedanke, dass sie auf dem Weg nach Indien waren, beruhigte sie.
    » Erzähl mir, wie ich hier in dieses Flugzeug gekommen bin. Ich mag mich nicht erinnern. «
    » Du hast mich angerufen, hast mir erzählt, dass Cathrine tot ist und dass du in einem miesen Drecksloch von Zimmer irgendwo in den Souks von Marrakesch festsitzt und nicht mehr leben willst. «
    » Und du bist dann einfach gekommen? Ist das dein Flugzeug? Warum tust du das? «
    Marie-Claires Fragen einten sich mit Hilfe seiner Antworten zu schemenhaften Erinnerungen. Da war der marokkanische Greis mit den gutmütigen Augen gewesen, der sie mit wenigen Worten aus ihrer Verzweiflung herausgerissen hatte. Ja, sie war verzweifelt gewesen! Wo sollte sie im nächtlichen Marrakesch hin? In eines der Touristenhotels konnte sie nicht. Wer weiß, ob man sie dort nicht bereits suchte. Sie hatte den alten Mann, der offensichtlich auch in seinem Laden, der kaum mehr als ein Bretterverschlag war, schlief und wohnte, gefragt, ob er nicht wisse, wo sie ein einfaches Zimmer be kommen könne. Für wenig Geld. Er hatte es gewusst. Es war kein einfaches Zimmer, es war ein Rattenloch. Ohne Heizung, ohne Wasser, die Wände verschimmelt und das Bett so grauenhaft schmutzig, dass sie sich auf den Boden gelegt und sich mit einem Teppich zugedeckt hatte. Kurz vor dem Einschlafen war ihr erneut der Gedanke gekommen, dass sie nicht mehr leben wollte. Dann war sie erschöpft eingeschlafen.
    Den gleichen Gedanken hatte sie am nächsten Morgen wieder gehabt, durchgefroren, malträtiert von schmerzhaften Blessuren am ganzen Körper – und ohne Hoffnung. Ihre Hoffnung war in der Nacht gestorben. Dann hatte sie an der Wand in der Kälte des Morgens die mit Pflaster befestigte Seite aus einem Magazin gesehen, auf der eine sehr freizügig gekleidete europäische Frau für Schmuck warb. Mit ihren verweinten Augen sah sie das Collier, sah die funkelnden Edelsteine, erinnerte sich an die beiden Sancys in ihrer Tasche – und an den Florentiner. Sein Fluch hatte sie fest im Griff. Es gab nur einen Menschen, der diesen Fluch beenden konnte: Sanjay! In ihm manifestierten sich an diesem kalten Morgen ohne Sonne, ohne Essen, aber mit viel Angst ihre letzten Hoffnungen. Sie rief ihn nicht von ihrem Handy aus an. Es wurde wahrscheinlich längst abgehört. Das öffentliche Münztelefon, das sie benutzte, ließ ihren Mut nach einer halben Stunde vergeblichen Wählens schon schwinden, als sie ihn tatsächlich erreichte. Viel hatte sie ihm nicht erklären können, weil sie ununterbrochen geschluchzt und nur wenig Geld hatte. Aber Sanjay hatte auch nichts wissen wollen. » Ich hole dich da raus «, hatte er gesagt. Mehr nicht.
    Alles, was danach geschehen war, erzählte ihr Sanjay nun – auf dem Flug nach Kairo. Von dort, er hatte es gesagt, aber si e w usste noch nicht, was das bedeutete, würden sie nach Indien fliegen. Mehr wusste sie derzeit nicht und wollte sie auch nicht wissen. Denn ihre Gedanken waren wieder bei Cathrine. Ihr Tod begleitete sie auf diesem Flug in eine Zukunft, die vom Fluch des Florentiners überschattet sein würde.
     
    D as

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