Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Fluch des Florentiners

Der Fluch des Florentiners

Titel: Der Fluch des Florentiners Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ackermann
Vom Netzwerk:
fasziniert von der mittelalterlich anmutenden Zeremonie der Vlies-Ritter und war doch hin und her gerissen in ihren Empfindungen. War das alberner Mummenschanz, aristokratisch-monarchistischer Dünkel? War das in tiefer Religiosität verankerte Tradition? Was wollten diese Männer dort unten? War sie Zeugin der Zeremonie einer Geheimbruderschaft, einer Loge? Nachden k lich hockte sie auf dem Steinboden unter dem Erkerfenster. Ihre Gedanken und Empfindungen überschlugen sich. Wie von ferne hörte sie inbrünstig gemurmelte Gebete, lauschte sie den mystischen Liturgien und dem Orgelspiel. Als sei sie der Realität entrückt, in eine andere, eine unwirkliche Welt en t fleucht, nahm sie alles um sich herum eigenartig gedämpft wahr. Wieder setzte das Orgelspiel ein. War das nicht …? Ja, das war sie! Die Orgel in der Kirche spielte soeben jene Melodie, die sie selbst noch aus Kind heitstagen kannte. Ihre Großeltern, Vere h rer des letzten österreichischen Kaisers, des in Verbannung auf der Insel Madeira verstorbenen Karl I., hatten sie in ihrer grenzenlosen Bewunderung schon als kleines Mädchen dieses Lied zu singen gelehrt. Ja, sie kannte diese Melodie, die von Haydn komponierte und von Lorenz Haschka getextete » Kaise r hymne « – deren Melodie jetzt die deutsche Nationalhymne war.
    Entrückt in Erinnerungen, zurückkatapultiert in ihre Kindheit, ergriffen von den plötzlich vor ihren Augen zu neuem Leben erwachenden Bildern ihres so geliebten Großvaters, flüsterte sie ganz leise eine jener Strophen vor sich hin, von denen sie ahnte, dass diese dort unten versammelten Männer, die Ritter vom Goldenen Vlies, sie nun auch vor sich hin flüstern würden: » Lasst uns fest zusammenhalten, in der Eintracht liegt die Macht; mit vereinter Kräfte Walten wird das Schwere leicht vollbracht; lasst uns eins durch Brüderbande gleichem Ziel entgegengehn; Heil dem Kaiser, Heil dem Lande, Österreich wird ewig stehn … «
     
    » Hände hoch! Keine Bewegung! «
    Die kaum hörbar und dennoch Furcht erregend dahingezischten Worte des Mannes, der hinter ihr stand, rissen sie aus ihren Träumen. Bevor sie sich umdrehen konnte, spürte sie einen kalten Gegenstand an ihrem Hinterkopf. Ihr Herz schien stillzustehen. Ihr Puls hämmerte in ihren Schläfen. Ihr wurde übel. Panische Angst bemächtigte sich ihrer, als sie begriff, dass der Mann ihr eine Pistole an den Kopf presste.
    » Langsam aufstehen! Ganz … ganz langsam aufstehen – und keine falsche Bewegung! «
    Es fiel ihr schwer, sich aufzurichten. Die Orgelmusik übertönte das Rascheln ihres Kleides, als sie sich Zentimeter für Zentimeter an der Wand hochzog. Plötzlich wusste sie, woher sie die Stimme des Mannes kannte. Sie hätte am liebsten geweint. Denn vor dem, was nun geschehen würde, hatte sie unendliche Angst.
    8. Kapitel
    D
    er nach dem Schriftsteller Antoine de Saint-Exupéry benannte Flughafen von Lyon war in den späten Aben d stunden fast menschenleer. Francis Roundell lächelte. Seit Jahren war er nicht mehr hier gewesen. Mit Lyon verba n den ihn viele angenehme Erinnerungen. Während seiner Dienstzeit in der für Kreditkartenbetrug zuständigen Abteilung bei Interpol war er von hier aus zu vielen interessanten Reisen rund um die Welt losgeflogen. Der Umzug Interpols von Paris nach Lyon hatte letztendlich seinen wichtigsten Karrieresprung herbeig e führt. Wäre er nicht nach Lyon gegangen, hätte er nie den Kontakt zum Auktionshaus Christie ’ s bekommen. Im Rahmen einer weltweiten Interpol -E rmittlung gegen eine vornehmlich von Saudi-Arabien aus operierende Kreditkartenbetrügerorgan i sation, die vor allem Kunsthändler schädigte, war der Kontakt zu Christie ’ s in London entstanden. Schon sechs Monate später hatte man ihm die Position des Sicherheitschefs bei dem renommierten Auktionshaus angeboten. Da er dort seine private Passion für Kunstha n del mit seinen hervorragenden weltweiten Kontak ten zu nationalen Polizeibehörden optimal verbinden konnte, füllte ihn diese Tätigkeit für Christie ’ s ganz und gar aus und machte ihm viel Freude. Nur die finanziellen Rahmenb e dingungen seiner Tätigkeit ließen zu wünschen übrig, aber das würde sich ja bald ändern.
    Knapp dreißig Minuten nach der Landung stieg er bereits vor dem direkt an der Rhône gelegenen Hotel Bellecour aus dem Taxi. Die Bäume der Allee entlang des Quai Gailleton vor dem hässlichen quadratischen Hotelbau mit seinen acht Stockwerken bogen sich unter starken

Weitere Kostenlose Bücher