Der Fluch des Florentiners
diesem Ritterorden und mit dem Florentiner zu tun hatte. Sie wollte wissen, was es mit diesem höchst geheimnisvollen Ritterorden auf sich hatte, der im 21. Jahrhundert Zeremonien praktizierte, die schon vor fast sechshundert Jahren praktiziert worden waren, um die einflussreichsten Männer des damaligen Europas zu einer mächtigen Bruderschaft zusammenzuführen. Ja, all das wollte sie wissen. Aber das alleine war nicht der Grund. Da war noch etwas: Marie-Claire war auf dem besten Wege, sich in Gregor von Freysing zu verlieben.
Eine Viertelstunde später stieg Marie-Claire de Vries aus ihrem Wagen. Christiane hatte zwar vehement versucht, sie abzuhalten, aber nichts und niemand hätte sie an diesem Abend stoppen können. Sie wusste, dass es irrational war, was sie tat. Es ging nicht um den Florentiner, nicht um ihren Auftrag. Es ging um dieses Gefühl.
Seit zehn Minuten waren keine Limousinen mehr vorgefahren. Die Kirche wirkte in der Dunkelheit völlig unscheinbar. Nichts verriet nach außen, was sich hinter den drei Kirchenfenstern abspielte. Nur die beiden Sicherheitsbeamten passten nicht zu dieser friedlichen Atmosphäre. Bestrebt, wie eine flanierende Shopperin zu wirken, schlenderte sie die Singerstraße hinab, schaute in die Schaufenster und überquerte nach etwa vierzig Metern die Straße. Sie blickte auf die Armbanduhr. Ihr Herz pochte wild. Würden dort drüben, vor oder in der Einfahrt zum Hinterhof des Café Haas, dem Parkplatz der Deutschordenski r che, auch Sicherheitsbeamte stehen? Fast auf Zehenspitzen schlich sie einen Schritt in die Einfahrt hinein. Der Innenhof war stockdunkel. Sie sah nur die rot-weiße Sicherheitsschranke in der Toreinfahrt hin zum Parkplatz. Misstrauisch schielte sie über ihre Schulter nach hinten, ob einer der beiden Sicherheitsbea m ten zu sehen war. Nein! Aber sie sah Chrissie, wie sie aus dem Wagen stieg und mit selbstbewusstem Schritt auf den Eingang zur Kirche zuging. Mach bloß keinen Mist, dachte sie und ging so leise wie nur möglich auf dem Kopfsteinpflaster in den Innenhof.
C hristiane Schachert steuerte mit festem Schritt auf die beiden Bodyguards zu. Sie fühlte sich sehr mutig, aber sie spürte, wie ihre Knie dabei zitterten. Die Männer starrten sie an. Mi t G enugtuung registrierte sie, wie beide ihren Körper taxierten, unverhohlen auf ihren kurzen Rock und ihre geöffnete Weste stierten. Sie kannte diesen Blick nur zu gut und hatte daher auch keine Bedenken, dass der Plan funktionieren würde. Jedenfalls ihr Part des Plans.
» Grüß Gott «, lächelte sie die beiden Sicherheitsbeamten schon von Weitem an und fingerte dabei ihren Dienstausweis des Kunsthistorischen Museums hervor.
» Grüß Sie «, reagierte der etwas Jüngere der beiden. Seinem Blick sah sie an, dass er es sein würde, mit dem sie sprechen musste.
» Sie sind sicherlich die Herren vom Sicherheitsdienst des Innenministeriums, die auf unsere Kunstschätze aufpassen, oder? Mein Name ist Christiane Schachert, ich bin Mitarbeiterin des Kunsthistorischen Museums! «
Demonstrativ hielt sie ihren Ausweis mit dem Dienstsiegel und ihrem Passbild dem Jüngeren hin. Er lächelte sehr nett und fragend, aber sie ließ ihm keine Zeit für eine Frage.
» Ich bin von meinem Chef, Herrn Hofrat Professor Doktor Wilfried Seipp, beauftragt, hier nach dem Rechten zu schauen. Sie wissen ja, wie das ist, wenn so wertvolle Kunstschätze aus der Wiener Schatzkammer außerhalb der Panzerglasvitrinen benutzt werden. Da ist die Versicherung schwer nervös. Sind ja Millionenwerte, die da drinnen sind «, heuchelte sie berufliches Pflichtbewusstsein. Der Titel ihres Chefs zusammen mit dem amtlichen Lichtbildausweis des Museums verfehlte nicht seine Wirkung. In Österreich waren Amtstitel und Dienstsiegel wie ein Passepartout. Wenn nichts mehr in diesem verstaubt-bürokratisierten Land funktionierte, half ein Titel immer weiter.
» Alles in Ordnung hier «, hüstelte der Jüngere und versucht e z u flirten. » Wirklich charmante Wissenschaftlerinnen gibt es im Kunsthistorischen. Da freuen wir uns doch auf die Mitarbeit! «
Beide Männer standen nun nur wenige Schritte von ihr entfernt inmitten der Toreinfahrt, mit dem Rücken zum Hinterhof. Für Bruchteile von Sekunden sah sie plötzlich das Gesicht von Marie-Claire, die hinter dem Rücken der Sicherheitsbeamten um die Mauerecke herumlugte, ihr zuzwinkerte und dann wieder verschwunden war.
» Na ja, ist nur eine Routinesache! Die Versicherungen spinnen eben,
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