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Der Fluch des Florentiners

Der Fluch des Florentiners

Titel: Der Fluch des Florentiners Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ackermann
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Muttergottesbildes hinter dem Altar.
    Zwei dumpfe Klopfzeichen ließen Marie-Claires Puls stocken. Sie sah einen sehr aufrecht und würdevoll in die Kirch e h ereinschreitenden Mann. Er hatte eine jener unvorstellbar kostbaren goldenen Collanen über Schulter und Brust gehängt, die sie in der Wiener Schatzkammer gesehen hatte. Da war es! Das Goldene Vlies – mit dem goldenen Widder, der auf der Brust des Mannes hing. Bedächtig schritt der Vlies-Ritter in die Kirche. Er hielt einen langen Stab in seiner Hand. Der Heroldsstab! Ja, das war der Herold des Ordens, Wie hatte Christiane gesagt, hieß er? C. A. Waldstein? Der Herold des Ordens verharrte, schaute sehr ernst und andächtig und stampfte mehrmals mit seinem Stab auf den Boden.
    » Procedamus « hallte seine Stimme durch die Kirche. Im gleichen Moment traten weitere Männer in schwarzem Ornat und mit weißen Handschuhen aus dem Schatten an der Tür in die Kirche ein.
    Marie-Claire sah die Schar der schwarz Gekleideten, sah die goldenen Collanen und den Widder im Kerzenlicht erstrahlen und erschauerte. Plötzlich fühlte sie sich um Jahrhunderte zurückversetzt, entrückt in eine Zeit, die von mittelalterlich-romantisch verklärten Idealbildern der Chevaliers, der tugendhaften Ritter mit untadeliger Lebensführung, geprägt war. Ritter, die für Gott, den Papst und andere, oftmals sehr weltliche Ideale lebten, kämpften – und starben. Diese Männer dort unten, das begriff sie erst jetzt, erfüllten diese Tradition noch heute mit Leben. Doch für wen oder was kämpften sie?
    Hinter dem Herold traten nun zwei Männer ins Licht der Kerzen. Sie schienen besondere Funktionen zu haben. Vielleicht der Trésorier und der Greffier, der Ordenssekretär, dachte sie. Den Namen des Greffiers kannte sie aus den Zeitungen. Er war ein bekannter Manager eines in Österreich ansässigen internat i onalen Konzerns. Ein gut aussehende r M ittvierziger mit grau melierten Haaren schritt der Gruppe voran, wies jedem einze l nen der Männer einen offensichtlich vorgegebenen Sitzplatz zu. Alle Männer knieten vor dem Altar nieder, bevor sie auf den Bänken Platz nahmen. Erst als die etwa dreißig Männer an ihren Plätzen waren, geleitete ein offensichtlich noch bedeutsamerer Vlies-Ritter mit sehr erhabenem Gesichtsausdruck einen verhältnismäßig jungen Mann zu einem kleinen Tisch nahe dem Altar. Neugierig versuchte sie, im Dunkel der Kirche nach Gregor Ausschau zu halten, aber sie konnte von ihrem Versteck aus im Halbdunkel nur die Vlies-Ritter in den ersten Reihen und in den gegenüberliegenden Bänken einigermaßen erkennen. Wer direkt unter der Empore saß, war für sie nicht zu sehen. War das da vorne rechts, der alte Mann mit dem Oberlippenbärtchen, nicht der Großherzog von Luxemburg? Und der neben ihm, war das nicht König Albert II. von Belgien? Ihr Blick glitt über die Bankreihen. Ob er dort unten saß? War auch Gregor von Freysing ein Ritter des Ordens vom Goldenen Vlies?
    Wieder ging ihr Blick hinüber zu dem Ordenssouverän an dem kleinen Tisch vor den Sitzbänken. Sie wusste, wer der Mann war, der dort saß: Karl von Habsburg – der Enkel des letzten österreichischen Kaisers! Auf dem kleinen Tisch vor ihm beleuchteten zwei Kerzen eine goldene Schale – und das Schwurkreuz! Da war es! Jenes legendäre Kreuz aus dem Besitz der Herzöge von Burgund, das bei ihrem Besuch in der Wiener Schatzkammer gefehlt hatte und auf das jeder Ritter vom Goldenen Vlies seit nahezu sechshundert Jahren seinen Eid ablegte. Das mit funkelnden Rubinen, Saphiren und Perlen besetzte goldene Kreuz mit dem mächtigen Goldfuß strahlte im Kerzenschein der dunkle n K irche wie ein Komet. Marie-Claire fühlte sich plötzlich wie ein kleines Kind, das mit glänzenden Augen die brennenden Kerzen des Weihnachtsbaums anstarrt. Die mystische Atmosphäre, die Erhabenheit in den Bewegungen der Vlies-Ritter dort unten beeindruckten sie maßlos. Ein inneres Leuchten schien vom festen Glauben dieser Männer auszugehen. Und von den hohen Idealen dieses Ritterbundes.
    Dann setzte das Orgelspiel ein. Die Männer unten in der Kirche sangen. Der Vlies-Aumonier, Erzbischof Christoph Graf von Schönborn-Wiesentheid, zelebrierte, assistiert von einem Priester, eine feierliche Messe. Plötzlich stand ein Ritter nach dem anderen auf, schritt andächtig hin zu dem kleinen Tisch mit dem Schwurkreuz. Jeder von ihnen warf eine große, goldene Münze in die goldene Schale.
    Marie-Claire vergaß zu atmen. Sie war

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