Der Fluch des Florentiners
mit dem man das Gespräch am Nebentisch abhören konnte. Francis wusste so was. Aber sollte sie Francis wirklich fragen? Wieso, dachte sie plötzlich, musst du eigentlich darüber nachdenken, ob du ihn fragst? Wieso hast du Zweifel? Erklären konnte sie sich das nicht wirklich. Sie wusste nur, dass eine innere Eingebung ihr nahe legte, vorsichtig zu sein. Auch gegenüber jenem Mann, der ihr den Auftrag gegeben hatte, den Verbleib des Florentiner-Diamanten zu recherchieren. Wie auch immer: Um acht Uhr würde sie ihn anrufen.
11. Kapitel
K
r iminalhauptkommissar Bernhard Kleimann jubelte innerlich und war zugleich sehr irritiert. Die Abendsonne traf auf das Fenster seines Büros in der Interpol-Zentrale in Lyon. Er atmete tief durch. Seine Intuition hatte sich als richtig erwiesen. Dennoch, das, was sich nun aus den neuen Erkenn t nissen an Schlussfolgerungen aufdrängte, überforderte seine Fantasie. Nochmals überflog er die Mitteilung, die er vor wenigen Minuten über das interne I-24/7-System vom Deu t schen Bundeskriminalamt erhalten hatte:
… Fingerabdrücke und genetische Merkmale des von Ihnen vorgelegten Datenträgers (Glas) und der Zigarettenreste sind zweifelsfrei identisch mit der von Ihnen benannten Person. Die von Ihnen übermittelten Personaldaten stimmen überein mit den hier beim BKA vorliegenden Erkenntnissen. Die Person wurde im Rahmen eines Einstellungsverfahrens bei Interpol Paris erkennungsdienstlich behandelt. Weitere Daten und Informationen können Ihnen aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht übermittelt wer den, da die benannte Person nicht mehr Angehörige von Interpol ist.
Des Weiteren können wir jedoch bestätigen, dass diese Person vor drei Jahren im Rahmen einer Observation der BKA -S taatsschutzabteilung in Zusammenarbeit mit den Kollegen von der BKA-Abteilung Rauschgift sowie marokkanischen Exekutivbehörden in Rabat festgestellt und fotografiert worden ist. Zielperson war der tunesische Staatsangehörige
Jilam REZAIGUI
geb. 07.12.1960 in Tunis/Tunesie n
R ezaigui besitzt zudem amtliche Personaldokumente auf unterschiedliche Aliasnamen aus Marokko, Syrien und dem Irak, darunter legale diplomatische Pässe und Dienstausweise. Jilani Rezaigui stand und steht im dringenden Verdacht, Mitglied zu sein bzw. zum Führungskader einer irakisch- marokkanisch -libanesisch-syrischen Gruppierung zu gehören. Diese Gruppe hat direkte Verbindungen zu islamisch-fundamentalistischen Terrorzellen und finanziert sich vornehmlich durch Rauschgif t handel (Heroin/Haschisch) aus dem libanesischen Bekaa-Tal. Erkenntnisse zu anderen Varianten der Beschaffungskriminalität dieser Gruppierung (u.a. Schutzgelderpressung, Waffenhandel und Kunstraub) liegen hier vor. Alle staatsschutzrelevanten Erkenntnisse sind als STRENG GE -H EIM klassifiziert. Wir bitten diesbezüglich um eine formelle Erkenntnisanfrage an die zuständige Abteilung des BKA. Ein Zugriff konnte in Rabat nicht erfolgen, weil Jilani Rezaigni einen exterritorialen Status als Mitglied der Kulturabteilung der irakischen Botschaft in Rabat innehatte. Die konkrete Verbindung zwischen Jilani Rezaigui und Fran cis R. konnte nicht zweifelsfrei verifiziert werden. Die Vermutung stand im Raum, dass Francis R. sich im Rahmen des Rückkaufs eines geraubten Kunstgegenstandes zu Verhandlu n gen im Auftrag einer Versicherungsgesellschaft in Marokko aufhielt. IPOL Neu-Delhi meldete im Jahre 2004 auffällig intensive Reisebewegungen des Jilani R. in Indien.
MfG
Meyer-Müllndorf, KHK Bundeskriminalamt
B ernhard Kleimann stand auf und ging in seinem Büro umher. Viele Fragen drängten sich ihm auf. Diese Angelegenheit war hoch brisant. Und wieder einmal war Zufall mit im Spiel gewesen. Hätte er vor zwei Wochen nicht im Rahmen seiner Tätigkeit bei der Interpol-Sonderermittlungsgruppe Mraksch in einigen alten Akten über marokkanische Terrorgruppierungen zufällig diese Observationsfotos gesehen, wäre er nie über diese höchst eigentümliche Verbindung zwischen seinem alten Freund und Exkollegen Francis Roundell und der nun anhängigen Ermittlung gestolpert. Es war nur ein Verdacht gewesen, denn das Observationsfoto zeigte zwar den Araber Jilani Rezaigui ganz klar, der Mann im Hintergrund war jedoch nur unscharf abgebildet. Dennoch war Kleimann die Ähnlichkeit sofort aufgefallen. Zunächst hatte er seinen ersten Verdacht als geradezu aberwitzig abgetan. Als sich dann wenige Tage später völlig unerwartet Francis Roundell bei ihm gemeldet und
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