Der Fluch des Florentiners
um ein persönliches Gespräch unter » alten Freunden « gebeten hatte, war ihm das nach zwanzig Dienstjahren doch als zu viel des Zufalls erschienen. Und nun lag dieses Schreiben des Bundeskriminalamtes auf seine m S chreibtisch. Es bestand absolut kein Zweifel: Sein alter Freund und Kollege Francis Roundell hatte vor einigen Jahren direkten Kontakt zu diesem Jilani Rezaigui gehabt. Warum, das war nicht ganz klar. Vielleicht war er tatsächlich als Kunstexperte mit dem Rückkauf gestohlener Kunstgegenstände beschäftigt gewesen. Solche Deals zwischen Kunsträubern und Versicherungsgesellschaften liefen immer unter extremster Geheimhaltung ab, zumal sie letztendlich illegal waren, von den Ermittlungsbehörden jedoch mehr oder minder stillschweigend geduldet wurden. Die Versicherungsgesellschaften zeigten sich im Gegenzug manchmal sehr kooperativ und übermittelten nach einem heimlichen Rückkauf die ihnen vorliegenden Erkenntnisse. Zu Festnahmen kam es dennoch höchst selten.
Ja, dachte Hauptkommissar Bernhard Kleimann, eigentlich sprach einiges dafür, dass Francis Roundell einer dieser heiß begehrten Vermittler war, die im Graubereich zwischen Legalität und Illegalität arbeiteten. Seine berufliche Vita sprach dafür. Als Exkriminalbeamter und Interpol-Beamter mit viel Erfahrung im Betrugsdezernat und nun Sicherheitschef eines Kunst-Auktionshauses hatte er eigentlich all das Know-how, das solche Versicherungsagenten haben sollten. Sie brauchten diese Erfahrungen, wenn sie Dieben und Räubern die gestohlene Ware abkaufen wollten, für die Versicherungen ansonsten viel Geld an den Versicherungsnehmer zahlen müssten. In diesem Zusammenhang war der Diebstahl der so genannten » Saliera «, des goldenen Salzfasses von Benvenuto Cellini, das im Mai 2003 aus dem Kunsthistorischen Museum Wien gestohlen worden war, in die Schlagzeilen geraten und auch Thema einer Sonderkonferenz bei Interpol geworden. Der Versicherungswert dieses unersetzbaren Kunstwerkes, das hatte er als Mitarbeiter der damaligen Interpol-Sonderkommission erfahren, war nicht einmal konkret zu beziffern. Fest stand lediglich, dass die involvierte UNIQA-Versicherung im Höchstfall eine Summe von zirka sechsunddreißig Millionen Euro im Einzelschadensfall zahlen müsste, würde das gestohlene Objekt nicht nach drei Jahren wieder auftauchen. Da war viel Spielraum für die Kunstagenten! Wenn es ihnen beispielsweise gelänge, die Saliera für einen Bruchteil der Versicherungssumme, also erfahrungsgemäß zirka zwanzig Prozent, von den Dieben zurückzukaufen, dann würde die Versicherung eine unvorstellbare Summe sparen. Diebe wie Kunstagenten wären gleichermaßen glücklich, denn die Erfolgsprämie läge sicherlich bei zehn Prozent des Versicherungswerts. Ein solcher Agent könnte dann bei einem Deal wie bei der Saliera schnell mal einige Millionen einstecken – plus der ohnehin ausgelobten siebzigtausend Euro Belohnung!
So etwas wusste Francis Roundell natürlich. Er war ein alter Fuchs und ein erfahrener, sehr cleverer Ex-Bulle. Fakt aber war jetzt, dass Francis offensichtlich sehr engen Kontakt zu höchst gefährlichen Leuten gehabt hatte. Oder noch hatte. Denn dieser Jilani Rezaigui, mit dem zusammen Francis heimlich fotografiert worden war, galt als die Hauptzielperson der Interpol-Sonderkommission Mraksch! Seine Rolle bei den beiden Raubüberfällen war noch nicht geklärt. Offen war ebenfalls, ob er einer der beiden Männer war, die in Ambulanzflügen aus Europa entkommen waren. Fest stand lediglich, dass sich mehrere Männer in ein und demselben Haus in Marrakesch aufhielten, und unter ihnen befand sich auch Jilani Rezaigni. Wie aber sollte Kleimann nun mit diesen brisanten Informationen über Francis umgehen? Francis war sein Freund, ein guter Freund. Der Raub der beiden Diamanten machte die Situation nicht einfacher. Ständig geschahen eigentümliche Dinge. So konnte er sich zum Beispiel nicht erklären, warum sich ein Staatssekretär aus dem Bayrischen Innenministerium über das BKA ständig nach dem aktuellen Ermittlungsstand erkundigte. Was hatte dieser Staatssekretär mit der Sache zu tun? Erkenntnisse über ihn lagen Kleimann nicht vor. Über das Internet hatte er lediglich herausgefunden, dass der Beamte mit Freiherr von Hohenstein in München Jura studiert hatte. Die beiden kannten sich also. Dennoch, Kleimann wurde aus diesem großen Interesse an der Soko Mraksch nicht schlau. Wahrscheinlich ist das wieder einmal so eine
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