Der Fluch des Khan
auf die Technologie an Bord.«
»Immerhin haben wir die Besatzung«, sagte Buns und nickte zu den beiden Rettungsbooten hin, die freiwillig auf den Kreuzer zuhielten. »Und außerdem kann das Pentagon das Schiff immer noch haben, wenn es so scharf drauf ist. Es liegt bloß neunzig Meter tief in iranischen Hoheitsgewässern«, fügte er grinsend hinzu.
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E in frischer Wind strich über die tiefer gelegenen Hänge des Burhan Haldun hinweg und ließ die zahllosen blau-roten mongolischen Flaggen an ihren Masten knattern. Die größte Fahne, ein mächtiges, fünfzehn Meter breites Banner, wehte über einem Mausoleum aus Granit, dessen kunstvoll behauene Fassade von einheimischen Handwerkern erst wenige Tage zuvor in aller Eile fertiggestellt worden war. Das leere Grabmal war von einer großen Schar von Würdenträgern, VIPs und Reportern umlagert, die leise miteinander redeten, während sie auf die Ankunft des künftigen Bewohners warteten.
Plötzlich wurde in der Menschenmenge Getuschel laut und verstummte dann, als sich der Marschtritt schwerer Stiefel näherte. Eine Kompanie mongolischer Soldaten tauchte zwischen den Kiefern auf und marschierte den sanften Hang zu den Wartenden hinauf. Sie waren die Vorhut eines langen Zuges der Ehrengarde, die die Überreste des Dschingis Khan zu seiner letzten Ruhestätte geleitete.
Dschingis Khan war während der Belagerung der nordwest-chinesischen Stadt Yinchuan vom Pferd gefallen und ein paar Tage später seinen Verletzungen erlegen. Ein geheimer Trauerzug hatte seinen Leichnam 1227 in die Mongolei zurückgebracht, an die Hänge des Burhan Haldun, wo er bestattet wurde. Nähere Einzelheiten sind jedoch nicht bekannt.
Damit seine Feinde nichts von seinem Tod erfuhren und die Grabstätte für alle Ewigkeiten unauffindbar blieb, geleiteten seine Kampfgefährten den Sarg wahrscheinlich in einem unauffälligen, vielleicht sogar streng abgeschirmten Marschzug in die Berge zurück und bestatteten ihn an einem unbekannten Ort. Diesmal, fast achthundert Jahre später, wurde er ohne jede Geheimniskrämerei zu Grabe getragen.
Der Leichnam des mongolischen Feldherrn war eine Woche lang in Ulan-Bator aufgebahrt worden, wo über zwei Millionen Menschen an dem Katafalk vorbeidefilierten, mehr als zwei Drittel der gesamten Bevölkerung des Landes. Aus allen Ecken der Mongolei waren Pilger angereist, um einen Blick auf seinen Sarg zu werfen. Als ihn ein Trauerzug in einem dreitägigen Marsch zu seinem Grabmal ins Kentei-Gebirge geleitete, säumten ebenfalls Tausende von Anhängern den Wegesrand, schwenkten Flaggen und Bilder des alten Heerführers, weinten und winkten, wenn der Wagen mit dem Sarkophag vorbeirollte, als wäre ein lieber Anverwandter gestorben. Zum Abschluss wurde ein nationaler Trauertag und künftiger Feiertag zu seinem Gedenken ausgerufen. An diesem Tag zog die Karawane einen behelfsmäßigen Weg zu einem friedlichen Flecken Erde am Fuße des Kentei-Gebirges empor, wo der Großkhan angeblich zur Welt gekommen war.
Pitt, Giordino und Gunn saßen gemeinsam mit Theresa und Wofford in der vordersten Reihe der Würdenträger, nur ein paar Plätze vom Präsidenten der Mongolei und den hochrangigsten Parlamentariern entfernt. Als sich der Trauerzug näherte, wandte sich Pitt um und zwinkerte einem kleinen Jungen zu, der hinter ihm saß. Nojon und seine Eltern, von Pitt als Ehrengäste eingeladen, blickten sich mit ehrfürchtiger Miene um, und der Junge riss die Augen auf, als der Katafalk des Khans endlich auftauchte.
Dschingis Khans sterbliche Überreste ruhten auf einem gewaltigen Wagen aus Holz, leuchtend gelb bemalt und so prachtvoll, wie es sich für den größten Eroberer, den die Welt je erlebt hatte, geziemt. Ein herrliches Gespann aus acht schneeweißen Hengsten, die ihre Hufe offenbar im Gleichschritt aufsetzten, zog den Granitsarkophag, den Pitt aus den Fluten gerettet hatte und der jetzt mit frischen Lotusblüten bedeckt war.
Eine Schar Lamas, die leuchtend rote Gewänder und gelbe Hüte trugen, bezog schweigend vor dem Grabmal Stellung. Am Fuß der Anhöhe stießen zwei Mönche in ihre
Radongs,
mächtige Hörner, die einen tiefen Brummton von sich gaben, der durchs ganze Tal schallte. Als der dumpfe Widerhall im Wind verklang, stimmten die Lamas ein längeres Trauergebet an, bei dem sie von Trommeln und Tambourins begleitet Weihrauch verbrannten. Anschließend zogen sie schweigend zur Seite, woraufhin ein alter Schamane auftrat. Das Zeitalter des Dschingis Khan
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