Der Fluch des Nebelgeistes 02 - Herr des Lichts
Eingehüllt in eine Explosion der Vorsehung gleich einem Blutbad, schwindelte ihm, und nur der Baum in seinem Rücken verhinderte, daß er fiel. Sein Geist, sein Herz, ja, sogar der Atem in seiner Kehle hatte innegehalten, als die unerwartete Hellsicht in ihm aufgelodert war: von Frauen und Mädchen, die ausgeweidet einen jämmerlichen Tod erlitten. Der Frieden dieser Nacht im Wald wurde zerstört von Todesschreien der Zukunft. Heiße Tränen des Entsetzens und des sinnlosen Zorns brannten in Arithons Augen, während er bemüht war, sich zu beruhigen, doch das Moos, das seine verkrampften Finger aus dem Boden rissen, war warm und rot von dem Blut, das die Macht des etarranischen Stahls fordern würde.
Trotz all seiner Mühe schwand sein Bewußtsein. Er kämpfte, und sein Atem entlud sich in einem erstickten Schrei, als sein Geist sich verwirrte und dann, als Jieret ihn am Arm zupfte, wieder in die Wirklichkeit zurückkehrte.
»Mein Prinz.« Der Knabe betrachtete ihn furchtsam. »Seid Ihr krank?«
»Nein.« Arithon schauderte. Solange diese alptraumhafte Zukunft durch sein Inneres raste, blieb ihm kaum genug Kraft, freundlich zu sein, während er sich aus dem Griff des Jungen befreite. »Ich bin nur so seltsam, weil ich mir Sorgen mache. Bring mich zu deinem Vater zurück, Junge. Ich habe Neuigkeiten von großer Bedeutung, die er unbedingt erfahren muß.«
Neugierig, mißtrauisch und kritisch wie jeder Kundschafter auf einem Aufklärungsgang, sah Jieret zu, wie Arithon sich bückte und Wasser in gierigen Schlucken trank.
Der Prinz sah krank aus, zitterte gar, und Schweiß lief über seinen Körper, Schweiß, der nach Angst roch. Doch Jieret hatte nicht vergessen, daß er sich einer unerlaubten Tat schuldig gemacht hatte; da er überdies von Natur aus zu schlau war, zu widersprechen, akzeptierte er die Erklärung des Prinzen, nach der Hallirons Geld in Elwedds Taschen enden würde.
Das Wasser und das Laufen schienen zu helfen. Arithon atmete freier, als die Bewegung und der steigende Blutdruck die schlimmsten Nachwirkungen milderten. Während ihres einstündigen Marsches zurück zum Lager gewann er zumindest nach außen den Anschein seines gewohnten Gleichgewichtes zurück.
Was gut war, denn die Mutter eines Knaben, der ohne ein Wort der Erklärung im Wald verschwunden war, war nicht geneigt, sich mit höflichen Floskeln aufzuhalten. Die gnädige Frau Dania versperrte den beiden Schurken vor dem Eingang zu Steivens Wohnzelt den Weg. Sie hatte ihre alltägliche Lederbekleidung gegen ein fliederblaues Gewand mit engen Ärmeln getauscht. Rotbraunes Haar, das Arithon nie zuvor offen gesehen hatte, fiel wie eine unfertige Handarbeit über ihren Rücken. Dieser Eindruck sanfter Weiblichkeit traf ihn wie ein Schlag, und er blieb sprachlos stehen.
Seine momentane Verblüffung entging Dania vollends, als sie sich auf ihren abtrünnigen Sohn stürzte. »Jieret! Was ist in dich gefahren? Es beschämt mich zu sehen, daß du dich, als ein Knabe von zwölf Jahren, sorgloser verhältst als ein Kleinkind!«
Geschützt im Schatten des Zelteingangs unterbrach Arithon: »Der Junge war bei mir, und er war in Sicherheit.«
Die gnädige Frau Dania bedachte ihn mit einem flammenden Blick.
Die Art, in der sie brüsk von ihm abließ, zu schimpfen aufhörte und ihn ins Bett schickte, ließ für Jieret keinen Zweifel daran, daß, Prinz oder nicht, Arithon nun den ganzen Zorn seiner Mutter würde erleiden müssen. Da er sich aber auch der Folgen bewußt war, die ihn erwarteten, sollte er noch länger verweilen, beeilte er sich, hinter den Vorhang zu entkommen, der den Schlafraum abtrennte, den er mit seinen Schwestern teilte.
Dania schlug das Zelttuch zurück, ziemlich verärgert angesichts der königlichen Zügellosigkeit. Sie warf dem Schuldigen, der ihrem Zorn nur dadurch entging, daß er stocksteif in der Dunkelheit verharrte, einen strengen Blick zu.
Wieder erinnerte sie sich daran, wie beunruhigend und schwierig Arithon sein konnte, und Caolle hatte schon früh bemerkt, daß er seine Nerven nach der Vereidigung möglicherweise mit Alkohol oder anderen Lastern beruhigt haben mochte, also beschloß sie zu schweigen und beschäftigte sich statt dessen damit, die Kerzen im Zelt anzuzünden.
Während frisch entzündete Flammen auf den zarten Stickereien ihres Leibchens und der Säume ihres Gewandes spielten und ihr Haar in noch wärmerer Farbe aufleuchten ließen, rang sie sich ein freundliches Willkommenslächeln
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