Der Fluch des Nebelgeistes 02 - Herr des Lichts
Amethystknöpfe an seinem Kragen mit Fingern, die viel zarter als die des Prinzen waren und deren glatte Haut nicht von Narben entstellt war. »Dieser verdammte blonde Jüngling ist ein Diplomat vom Scheitel bis zur Sohle. Zu schade, daß er kein geborener Städter ist. Wir hätten jemanden wie ihn brauchen können, um die Beziehungen zu den Bauern wiederherzustellen.«
In der Ratsversammlung am folgenden Morgen glänzte der anerkannte Thronerbe von Rathain durch Abwesenheit. Erschöpft von dem Takt, den es erforderte, die meuternden Interessenverbände unter den Ratsherren zu besänftigen, und überdies entnervt davon, Intrigen auseinanderzupflücken, die zwischen den Gilden klebten und miteinander verwoben waren wie mehrere Lagen schmutziger alter Spinnweben, beschloß Lysaer, etwas Luft zu schnappen. In letzter Zeit hatte er regelmäßig unter Kopfschmerzen gelitten.
Als sie sich nun erneut ankündigten, bat er, dem weiteren Verlauf fernbleiben zu dürfen, als Sethvir zur Mittagszeit eine Pause einlegte.
Lysaer schien der einzige zu sein, der der Verantwortlichkeit seines Halbbruders auf den Grund zu gehen trachtete.
Ein kurzer Blick in die Gasträume von Lordgouverneur Morfetts Villa zeigte ihm keine Spur von Arithon. In dem Bett mit den orangefarbenen Troddeln hatte niemand geschlafen; die Dienerschaft war schnell mit Gerüchten bei der Hand. In scheußlichem Farbkontrast lagen das golddurchwirkte Hemd und die grüne Toga, die eigentlich den Prinzen schmücken sollten.
Allein mit seinem Ärger in dem Vestibül fluchte Lysaer leise und erschrak, als ihm eine Stimme aus der leeren Luft antwortete.
»Wenn Ihr Euren Bruder sucht, der ist nicht hier.«
»Kharadmon, nehme ich an«, schnappte Lysaer. Die heiklen diplomatischen Angelegenheiten dieses Morgens hatten seine Toleranz gegenüber Geistern in dunklen Ecken erschöpft. »Wie wäre es, wenn Ihr mir entgegenkämet und mir einfach sagen würdet, wo er ist?«
Gleichmütig entgegnete der körperlose Zauberer: »Ich kann es Euch zeigen, falls Ihr nicht bevorzugt, leere Zimmer zu verfluchen.«
»Das ist nicht fair«, meinte Lysaer. »Aber ich bin nicht in der Stimmung, mich zu entschuldigen. Helft mir, den Piratenbastard von einem Halbbruder zu finden, vielleicht finde ich dann auch mein gutes Benehmen wieder.«
Kharadmon tat ihm den Gefallen und besorgte ihm die Adresse, die, wie sich herausstellen sollte, im übelsten Teil des Armenviertels lag.
»Ihr scheint keine Furcht vor Attentätern zu haben«, bemerkte Lysaer, dessen schlechte Laune nun allmählich in Sorge umschlug.
»Sollte ich denn?« Kharadmon kicherte. »Nun, Ihr könntet vielleicht sogar recht haben. Immerhin ist Luhaine an der Reihe, den Prinzen zu beschützen.«
Die Straßen in den abgelegenen Bezirken Etarras waren ineinander verschlungen wie eine stümperhafte Häkelarbeit, und das schlüpfrige Pflaster wies Frostschäden auf. Lysaer ruinierte sich seine besten Stiefel, als er durch die Gosse schritt. Eine dubiose Flüssigkeit, die von den rottenden Baikonen eines Bordells herabtropfte, bespritzte seine Hose. Zweimal verirrte er sich. Schließlich aber erreichte er die Straße der Pferdeabdecker, in der es unerträglich nach ranzigem Fett und verdorbenem Aas stank.
Am liebsten hätte er den nächsten Bettler, der ihn um Geld anging, getreten; er hatte bereits alles gegeben, was er besessen hatte, und ganz entgegen seinem Versprechen gegenüber Kharadmon war seine Laune nur noch schlechter geworden.
Erfüllt von grimmigem Zorn, sich freiwillig zu diesem Botengang verpflichtet zu haben, stapfte er um die nächste Ecke.
Fröhliches Gelächter hallte von den flechtenbewachsenen Fronten der Lagerhäuser wider, und es erschien in dieser feuchten, schmutzigen Gasse nicht minder unpassend wie ein heiteres Glockenspiel.
Lysaer blieb wie angewurzelt stehen. Es war Arithon, der da lachte, und das paßte nun gar nicht zu einem Mann von so trübsinnigem Charakter.
Neugier vertrieb seinen Zorn, als Lysaer weiterging. Hinter einer Biegung sah er im Schatten der dicht stehenden Häuserwände eine Gruppe abgerissener, verwahrloster Kinder, und Arithon war mitten unter ihnen. Der Prinz von Rathain hatte seine feinen Kleider verschmäht und sich statt dessen in etwas gehüllt, daß nach der passenden Kleidung für einen Lumpensammler aussah. Die elegante Erscheinung des vergangenen Tages war wie fortgezaubert, und nun sah er ebenso verkommen aus wie seine Kumpane, deren ungewaschene, zynische
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