Der Fluch des Nebelgeistes 02 - Herr des Lichts
Jieret eine rostrote Haarsträhne aus dem Gesicht. Er runzelte die Stirn, und auf seinem Gesicht spiegelte sich die angespannte Konzentration wider. Von dem Fest gelangweilt und überdies ungeduldig, war doch seit dem Verschwinden des Nebels die Passage der Wagenzüge unterbrochen, stieß er seinen jüngeren Kumpanen mit dem Ellbogen an. »Bereit, Idrien?«
Mit schweißnasser Hand umklammerte der zweite Knabe den Stock, den er zu einem Speer zugespitzt hatte. Sich aus dem Lager davonzuschleichen war Jierets Idee gewesen.
Als ihr Kundschafterspiel jedoch überraschenderweise tatsächlich ein Opfer zutage brachte, verlor der so aufregende Gedanke an Plünderung und Erpressung plötzlich seinen Reiz. Ein wenig furchtsam wünschte er sich, er wäre auf dem Fest geblieben und würde mit Nüssen nach Eichhörnchen werfen. »Weißt du, seine Verwandten haben vielleicht gar nicht so viel Geld.«
Jieret grinste hinter einer weiteren widerspenstigen Haarsträhne. »Du hast doch die Topasbrosche gesehen, mit der sein Umhang verschlossen ist. Willst du etwa kneifen?«
Mit wildem Blick schüttelte Idrien den Kopf.
»Na, dann komm.« Zu forsch, sich um die zurückschlagenden Zweige zu kümmern, robbte Jieret durch das Dickicht.
Idrien folgte ihm, doch seine Unsicherheit ließ ihn vorsichtiger vorgehen. Der Augenschein konnte täuschen. Des Mannes Juwel mochte lediglich Glas sein. Doch Jieret war bereits aufgestanden und stürmte nun so schnell er konnte den Hang hinunter. Die Clanehre ließ nicht zu, daß sich sein Freund einfach davor drücken konnte, ihn zu unterstützen.
Jieret schlitterte auf die Straße, behindert von einem Regen herabprasselnder Steine. Er hatte sich das Wams zerrissen, und es war über seine Schulter gerutscht. Trotz seiner Entschlossenheit, den Alten in dem Wagen einzuschüchtern, zitterte der Speer in seiner Hand. »Halt, wenn Euch Euer Leben lieb ist!« Er schüttelte das Rehleder ab, das seinen Wurfarm behinderte. Dann mußte er um sein Gleichgewicht und seine Haltung kämpfen, als Idrien den Hang hinabstolperte und direkt in seinem Rücken landete.
Die gepfiffene Melodie verhallte. Angesichts der Bedrohung durch zwei zugespitzte Stöcke spannten sich die Hände um die Zügel. Das Pony bleckte die Zähne, verdrehte die Augen und blieb auf der Stelle tänzelnd stehen. Die Zügel noch immer fest in Händen blickte das Opfer dieses Überfalls die beiden schmutzigen, zerkratzten Burschen mit strahlenden Augen an. Seine Lippen bogen sich zu einem Lächeln, und seine silbrigen Augenbrauen rutschten unter seiner Kapuze nach oben.
»Raus aus dem Wagen und Waffen fallenlassen. Langsam!« Jieret stieß Idrien mit dem Ellbogen an, auf daß jener die Zügel des Ponys nähme.
Der alte Mann zögerte. Dann ließ er die Zügel los und kam vorsichtig herunter. Das goldene Seidenfutter seines Mantels glänzte im schwächer werdenden Tageslicht. Fast, als hätte er nur auf Idriens Jammern gewartet, versetzte er dem Pony, das den Kopf gesenkt hatte, um den Knaben zu zwicken, einen geübten Schlag zwischen Schulter und Nacken. Mit gezügelter Angriffslust grunzte die Kreatur und schüttelte verdrossen ihre Mähne. Ihr Meister zog indessen noch immer verblüfft einen mit Ornamenten verzierten Dolch aus seinem Gürtel, drehte ihn so, daß das Heft dem Knaben zugewandt war und reichte ihn Jieret. Dann blieb er ruhig stehen, während Idriens schmuddelige Finger seine edle Kleidung nach verborgenen Waffen abtasteten.
Schließlich, bedroht von seinem eigenen Messer und zwei zugespitzten Stöcken, hob er seine ungeschmückten Hände. »Wessen Gefangener zu sein habe ich die Ehre?« Seine Stimme hatte einen angenehmen Klang und war frei von dem Zittern, daß für besonders alte Menschen im allgemeinen so charakteristisch war.
Jieret legte die Stirn in Falten. Geiseln sollten Angst zeigen, statt freundlich zu grüßen. Da das Pony sich demonstrativ bösartig gebärdete, fesselte er dem Alten die Hände mit den Zügeln und ließ ihn das elende Biest selber führen. Dann kletterten er und Idrien auf den Bock und wiesen ihr sonderbares Gespann an, den Wagen von der Straße wegzuziehen.
Begeistert über ihren Erfolg stießen sich die Knaben gegenseitig in die Rippen. Eine Geisel, für die sie Lösegeld bekommen würden. Ganz sicher würden die Clanmitglieder ihre Tapferkeit loben. Der Fremde mochte den Preis eines Schwertes oder, besser noch, eines Pferdes wert sein. Dann stellten sie bestürzt fest, daß sie vergessen
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