Der Fluch des Nebelgeistes 02 - Herr des Lichts
wenn wir uns nicht stellen, werden wir auf der Flucht abgeschlachtet werden oder im Sommer in den Sümpfen von Anglefen an Fäule und Fieber sterben.« Ruhig fügte Steiven hinzu: »Wir werden kämpfen. Aber wir müssen das Schlachtfeld zu unserem Vorteil auswählen.«
»Das wird der größte, blutigste Kampf, den wir je veranstaltet haben«, sagte der letzte Graf zu Fallowmere. »Was mich angeht, so möchte ich ihn nicht verpassen.«
Caolle starrte ihn wütend an.
In einer warmen Atmosphäre brüderlichen Gezänks wurden Strategien diskutiert, verworfen und wieder aufgenommen, Karte über Karte ausgebreitet und wieder zur Seite geschoben, bis der Teppich mit Stapeln von Pergament bedeckt war. Schließlich wurde ein Schauplatz in einer Reihe aneinanderliegenden Täler längs des Tal Quorin gewählt, wo der Fluß weit und seicht an flachen, grasbewachsenen Ufern vorbeiströmte.
»Nun gut.« Steiven streckte seine angespannten Arme, wobei die matten Beschläge seiner Lederrüstung schwach aufblinkten. »Jagt die Patrouille der vergangenen Nacht aus den Betten. Unsere Lager müssen alle nach Osten zum Fluß gebracht werden. Die ersten, die dort ankommen, sollen sofort anfangen, Bäume für die Fallen zu fällen.«
»Und der Prinz?« verlangte Caolle zu erfahren. Seine aufgesprungenen Lippen wurden zu schmalen Streifen, als er den sanften Ausdruck bemerkte, der sich auf das vernarbte Gesicht seines Clanführers gelegt hatte. »O nein, Euer Lordschaft. Ihr denkt doch nicht daran, abzuwarten, bis seine Hoheit die Schwäche überwunden hat. Dies ist kein sicheres Gelände, und wir müssen das Lager bis zum Einbruch der Dunkelheit abgebaut haben.«
Nun folgte ein Augenblick, in dem Clanführer und Krieger mit Blicken über die Kerzen hinweg miteinander rangen. In Deshir herrschten rauhe Sitten: Jeder Kundschafter, der nicht reisefähig war, erhielt einen Gnadenstoß und wurde an Ort und Stelle neben der Straße zurückgelassen. In einem Land, das von den Kopfjägern durchstreift wurde, gefährdete die Fürsorge für Verwundete und Lahme das Leben derer, die noch bei Kräften waren, und kein Mann, gleich wie geringfügig seine Verletzung auch sein mochte, wurde der Gefahr überlassen, in Gefangenschaft zu geraten.
»Du wirst ihn wecken«, schlug Steiven mit einem grimmigen Grinsen vor. »Ich wette, er wird laufen, und sei es nur, um dir eins auszuwischen. Er ist mit dem Grauen hereingeritten, und wir werden ihn wahrscheinlich als Köder zurücklassen.«
Arithon erwachte langsam, als sich ein warmes Gewicht auf seine Knie senkte. Etwas anderes zupfte an seinem Haar, und eine weitere Berührung strich über die Finger seiner nicht verbundenen Hand, die aus der Decke hervorragte.
Er sog Luft in seine Lungen und rührte sich ein wenig, doch die Steifheit seines Körpers war schmerzhaft genug, ihm ein Ächzen zu entringen.
»Du hast ihn aufgeweckt«, piepste eine Kinderstimme furchtsam.
»Hab’ ich nicht«, sagte eine andere, so geschwind wie ein Echo, von der anderen Seite der Pritsche.
Arithon öffnete die Augen.
»Hast du wohl, siehst du?« sagte ein brünettes, etwa sechs Jahre altes Kind mit teefarbenen Augen und Grübchen im Gesicht, das sich neben seiner Schulter an den Drillich lehnte. »Bestimmt wird er böse.«
Was genau er nun als nächstes tun würde, stand im Mittelpunkt des Interesses von vier Augenpaaren. Von dem kastanienbraunen Engelchen auf seinen Knien bis zu dem größten der Kinder, welches ihn mit der Würde einer zukünftigen jungen Erwachsenen vom Ende des Bettgestells aus beobachtete, hin zu dem kleinsten der Kinder, einem Mädchen, ebenso dunkelhaarig wie der Vater, dem sie ähnelte, das an zwei Fingern nuckelte und scheu hinter ihrer älteren Schwester hervorlugte.
Arithon stützte sich auf die Ellbogen, um sich aufzurichten, erstarrte jedoch sogleich, als ihn die herabgleitende Decke daran erinnerte, daß er nackt war. Träge bemühte sich sein Hirn, sich zu orientieren und einen Zusammenhang zwischen den Wänden und den geflickten Felldecken eines Schlafzeltes und seiner letzten bewußten Erinnerung an ein unabwendbares Nickerchen im Sattel herzustellen, welches mit einem Sturz vom Pferd geendet hatte.
»Ihr seid doch nicht böse, nicht wahr?« fragte die schwarzhaarige Zehnjährige, während sie auf seinen Knien schaukelte.
Ihm tat alles weh. Außerdem war er noch immer viel zu müde, und selbst wenn er hätte verärgert sein wollen, fehlte ihm dazu doch der Wille. In der
Weitere Kostenlose Bücher