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Der Fluch des Nebelgeistes 05 - Die Streitmacht von Vastmark

Der Fluch des Nebelgeistes 05 - Die Streitmacht von Vastmark

Titel: Der Fluch des Nebelgeistes 05 - Die Streitmacht von Vastmark Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janny Wurts
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hineinzugehen. Da Mearns Rattenjagd entlang der Küste die weit beschwerlichere Alternative zu sein schien, wies er seine Eskorte erneut an zu warten, ehe er festen Schrittes durch das Portal trat.
    Nie dämmerte ihm, daß seine Autorität hinfällig werden könnte, daß, sobald er die Herberge betrat, seine Offiziere aus dem Sattel steigen und ihre Waffen ablegen würden, um ihm in den Vorraum zu folgen. Seine Befehle waren unmißverständlich gewesen; er hatte keines Mannes Begleitung erbeten. Und doch folgte ihm jedes einzelne Mitglied seiner Eskorte. Gänzlich sorglos blieb ihm sogar der Stallbursche auf den Fersen, der angewiesen worden war, sich der Pferde anzunehmen. Die Augen weit aufgerissen, betrachtete er fasziniert die eingemeißelten Siegel, die die Wände bedeckten.
    Die Eingeweihte selbst hatte sie eingeladen, näherzutreten, und mochte Lysaer ob dieser Eigenmächtigkeit auch zürnen, gönnte ihm doch seine Gastgeberin ein Lächeln, so nachsichtig, als wäre sie eine Amme vor einem irregeleiteten Kind. »Ohne Zwang seid Ihr über unsere Schwelle geschritten. Hier aber gelten Aths Gesetze.« In unzähligen Echos hallte ihre Stimme von den hohen Wänden und der gewölbten Decke wider, während sie lautlos mit bloßen Füßen über das Marmormosaik im Boden schritt. »Innerhalb dieser Herberge besitzt niemand die Herrschaft über einen anderen als sich selbst, doch seid beruhigt, bei der Audienz, um die Ihr bittet, wird es keine Zuschauer geben.«
    »Und was ist mit unseren unbeaufsichtigten Pferden?« fragte Lysaer, heldenhaft darum bemüht, nicht zu keifen, wenngleich sein Zorn sich trotz all seiner Umsicht auf seine Stimme niederschlug. »Werden sie sich mit Aths Frieden zufriedengeben und nicht durch das Marschland streunen?«
    »Die Tiere werden tun, was ihre Natur ihnen gebietet. Fürchtet nichts. Es wird ihnen nichts geschehen. Claithen ist hinausgegangen, nach ihnen zu sehen.« In wallenden weißen Gewändern rauschte die Eingeweihte ihm voran durch das runenbedeckte Portal, das in das innere Heiligtum führte.
    Hinter ihr, allein, zog Lysaer die Pforten zu.
    Der große Raum, der sich jenseits des Portals öffnete, hatte nichts mit der ärmlichen Hütte gemein, die Lysaer erwartet hatte.
    Er betrat eine von Pfeilern gesäumte Loggia, vor der sich ein offener Hofgarten erstreckte, in dessen Mitte ein Brunnen plätscherte. Außerhalb dieser grauen Mauern mit den eingemeißelten Runen war es Nacht. Nur der Mondschein und das rötliche Licht der Fackeln vertrieben die Dunkelheit – hier aber, ohne ersichtliche Lichtquelle, herrschte fahles Zwielicht über Silber- und Lavendeltönen und dem geheimnisvollen Blattwerk gewaltiger Bäume. Diese Bäume waren nicht verkrüppelt oder sturmbeschädigt, auch waren es nicht die Palmen, die überall auf der Halbinsel wuchsen, sondern ehrwürdige Laubgehölze mit hohen Kronen und Stämmen, die zu umfassen fünf erwachsene Männer nötig wären.
    Diese Bäume waren ein leibhaftiges Rätsel. Mit ihrer unglaublichen Größe hätten sie längst das Dach des Gebäudes, in dem sie wuchsen, durchstoßen müssen.
    Die Luft unter ihren Zweigen roch nach Leben, schien ein Gobelin wuchernden Grüns zu sein, geknüpft mit einer Kraft, die an die unsichtbare Energie einer Sturmfront jenseits des Horizonts erinnerte.
    »Dort«, sagte die Eingeweihte. Leicht wie eine Feder lag ihre führende Hand auf seinem Arm. »Ihr mögt am Brunnen Platz nehmen, um Eure Fragen vorzutragen.«
    Lysaer tat einen Schritt und noch einen, ehe er wie gelähmt stehenblieb. Mit einer Hand stützte er sich an einem Pfeiler ab, und die eingemeißelten Muster unter seiner Handfläche schienen eine überwältigende Aura der Stille und Harmonie auszustrahlen.
    Ein Schaudern lief durch seinen Leib, und er blinzelte heftig. Plötzlich schienen seine Kleider ihn einzuschnüren, zu kratzen, ja, gegen alle Vernunft in seinen Körper zu dringen. Die Gefühle, die von ihm Besitz ergriffen, kannten in seinem Erfahrungsschatz nicht ihresgleichen, um so weniger in einer Umgebung, in der er Statuetten und güldene Ikonen erwartet hatte, die Daelion, den Herrn des Schicksals, und Dharkarons Streitwagen darstellten. Die Kathedralen zu Ehren Aths, die er aus seiner Heimatwelt kannte, hatten gewaltige, gewölbte Decken, die sich in eine ewige Staubschicht hüllten. Leere hatte in ihnen geherrscht, nur durchbrochen durch unzählige Echos, während ernste Priester in langen Roben sich ihren Huldigungen und Gebeten

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