Der Fluch des Nebelgeistes 05 - Die Streitmacht von Vastmark
Kinder, ausgesandt, die Kehlen der Verwundeten aufzuschlitzen; und Arithon s’Ffalenn, gänzlich unschuldig ob der Umstände, die ihn zu einem Blutvergießen gezwungen hatten. Dann jene trostlose, verdammenswerte Sekunde, in der die Gerechtigkeit, die Gabe derer zu s’Ilessid, durch den Geist Desh-Thieres der Besessenheit und dem Mißbrauch anheimfiel, verzerrt im Sinne jenes bösartigen Fluches.
Mit zweigeteilter Stimme schrie Lysaer auf: »Ath und Dharkaron, ich erflehe Eure Gnade! Nie habe ich den Tod der Menschen am Tal Quorin gewollt.« Doch noch immer war ihm keine Pause vergönnt. In den sengenden, spiegelnden Blicken der Eingeweihten, inmitten des furchterregenden Mysteriums dieser unwirklichen Quelle, wurde er seiner vergangenen Taten gewahr, neu formiert zu einem Drama, das ihn mit Verdammnis schlug. Und er schaute Arithon, der gezwungen war, die Rolle des Mörders auf sich zu nehmen.
Die schaurige Vision hielt ihn mitleidlos in Klauen. Lysaer sah sich selbst, und er weinte um die toten Clanfrauen und ihre Kinder, die durch seine Gabe des Lichts ihr Leben verloren hatten; und er sah sich in der Rolle des unnachgiebigen Prinzen, getäuscht von seinem Pflichtgefühl, wie er in blindem Wahn eine Exekution um der Gerechtigkeit willen anordnete.
Lysaer heulte auf, als die Zweiteilung gleich berstendem Glas, geschärft durch seine übersinnlich klare Bewußtheit, sein Selbst spaltete.
»Wer bin ich?« brüllte er seiner Peinigerin entgegen, die nun nicht mehr sterblich und von Fleisch und Blut, sondern eine stählerne Klinge war, die ihn mit unbarmherzigen Schnitten entblößte.
Der Eingeweihten Stimme war wie gehärtetes Metall, das gerade erst dem Schmiedefeuer entrissen worden war. »Tritt zurück. Tritt in das Wasser. Die Quelle wird dich reinigen. Aths Gnade wird dir Vergebung gewähren.«
Die weinende Hälfte seiner selbst erkannte einen Hafen in ihren Worten und bettelte bar jeden Stolzes um dieses Erbarmen. Die Hälfte aber, die ein Prinz war, sah weder Quelle noch Reinigung, sondern lediglich die grauen Wogen der Geister Desh-Thieres, die ihre Fänge mit weitaufgerissenen Rachen nach ihm schlugen, um ihm das Fleisch vom Leibe zu reißen.
Erneut schrie er auf, gepeinigt von den Qualen der Versuchung. Schmerzlich lastete der Wunsch, alles zu vergessen, die Waffen niederzulegen und seinen illegitimen Halbbruder zur Versöhnung in die Arme zu schließen.
Und doch erklang aus weiter Ferne noch immer der Protestschrei tiefsten Mißtrauens, mochten doch die zarten Töne der Quelle und die strahlende Macht der Eingeweihten ihn lediglich mit falschen Versprechungen in die ewige Verdammnis locken.
Die Worte seines Vaters drangen durch den Tumult und verwünschten ihn wegen seiner eigennützigen Gedanken. »Du wurdest als königlicher Sproß geboren, mein Sohn. Ein Prinz handelt niemals egoistisch. Gleich wie schwer, gleich wie schmerzlich es sein mag, unbesehen, wie einsam du sein magst, wenn du deine Entscheidungen treffen mußt, du mußt stets im Sinne deines Volkes handeln.«
»Verehrte Dame, in diesem Krieg kann es kein Pardon geben«, keuchte Lysaer. Sich dem Glauben hinzugeben, daß Arithon unschuldig war, bedeutete, die Ehre zu mißachten, bedeutete, das Recht und die Gerechtigkeit der ahnungslosen Städte unter dem Schutz des s’Ilessids preiszugeben und die Vernichtung unzähliger Unschuldiger in Kauf zu nehmen.
»Ich werde mich keinem Frieden beugen, der auf Lügen aufbaut.« Erneut hatte er sich gesammelt, beherrschte er sein Selbst mit der glühenden Intensität eines Lichtstrahls, der durch eine gläserne Linse verstärkt wurde. Lysaer kam wieder auf die Beine und richtete sich zu voller Größe auf. Er hob die Hände und trocknete die aufgeschürften Finger an der trockenen Seide seiner Ärmel.
Seine Handlungsweise am Tal Quorin war nicht das Ergebnis einer Fehlentscheidung. Er war kein Mann, der Clanfamilien ohne einen zwingenden Grund auslöschte.
Diese Eingeweihte war ihm nicht freundlich gesonnen, glaubte sie doch, ihn hinters Licht führen zu können, auf daß er seinem Halbbruder in Freundschaft begegne. Ihre unheimliche Macht und ihre gefährliche Überzeugungsgabe drohten noch immer, erneut seinen erschütterten Zugriff auf die eigene Moral zu bestürmen, und Lysaer wußte, er mußte fliehen, wollte er nicht das Risiko eingehen, all seine Herrscherwürde zu verlieren. Ohne seine Gabe des Lichtes jedoch, wäre dem Land jeder Schutz vor der heimtückischen Verderbtheit Arithons
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