Der Fluch des Nebelgeistes 06 - Das Schiff der Hoffnung
Stille des Raumes. »Mearn hätte Lösegeld von mir fordern können. Ich hingegen hätte Beweise und Zeugen liefern können, um die schlichte Wahrheit darzulegen. Dhirken war nicht meine Vertraute.«
Der gewandte Sarkasmus, den er zu nutzen pflegte, seine Distanz zu wahren, schien zerstört, gleichsam unerreichbar.
Vor Entsetzen nurmehr ein blasser Schimmer ihrer sonst nahezu göttlichen Erscheinung, verfolgte Talith die Vorgänge verstört; Dakar schien wie erstarrt, während Sethvir die Hand hob, um König Eldir von der gefahrvollen Absicht abzubringen, seine Soldaten aufmarschieren zu lassen. Der Herr der Schatten jedoch nahm all die Unruhe im Hintergrund kaum wahr.
»Ich kannte den Kapitän der Drachen recht gut«, gestand er ein, als seine Disziplin als Meisterbarde endlich seine Zunge löste und ihn veranlaßte, den nutzlosen Zorn in Kummer zu wandeln. »Wenn sie ihre Brigg übergeben hat, so hat sie das im guten Glauben und der Erwartung einer gerechten Behandlung getan. Eure Rechtsprechung hat dieses Vertrauen enttäuscht, und die Entscheidung, die sie zum Tode verurteilt hat, war jenseits von Gnade und Gerechtigkeit. Ich sage es noch einmal: Es gab keinen rechtschaffenen Grund, Kapitän Dhirken um des Dienstes willen, für den ich ihr Schiff geheuert habe, zu töten.«
Der Lordkommandant von Avenor neigte den Kopf zur Seite. Im Flammenschein schimmerte sein Haar wie polierter Onyx, und ein triumphales Strahlen lag auf seinen Zügen. »Dann, Hoheit, solltet Ihr zukünftig darauf achten, nicht noch anderen Unschuldigen Eure Freundschaft zu erweisen.«
Diegan machte auf dem Absatz kehrt und stürmte zur Tür hinaus, über die Maßen verärgert wegen des flüchtigen Blickes, den seine Schwester ihrem einstigen Entführer zugeworfen hatte. Er empfand weder Bedauern, noch würde er sich die Mühe machen, den stillschweigenden Vorwurf zu bestreiten, daß Dhirkens Leben keinem höheren Ziel geopfert worden war als dem der Rache an einem Feind.
Während Arithons Zweimaster Khetienn die Leinen löste und sich zur offenen See hinaus in den Wind legte, den Kharadmon überredet hatte, sich gunstvoll zu erweisen, nahm Lysaer s’Ilessid König Eldirs Einladung an, wieder glücklich mit seiner Gemahlin vereint eine Nacht an Land zu verbringen. Das Paar erhielt verschwiegene Gemächer hinter streng bewachten Türen, umgeben von Bannzaubern der Bruderschaft, die den Prinzen so lange abschirmen sollten, bis die akute Bedrohung durch den Fluch des Nebelgeistes sich wieder gelegt hätte.
»Nicht jetzt«, murmelte Lysaer zärtlich, als Talith sich ihrem Redebedürfnis ergeben wollte. »Laß mich dich ansehen.« Seine warmen Hände strichen über den feinen Spitzenstoff auf ihren Schultern, wanderten an ihrem Hals herauf, hoben dann sanft ihr Kinn, den begehrlichen Blick unverwandt auf ihr Gesicht gerichtet. »Du bist noch schöner, als ich dich in Erinnerung hatte.«
Eine Träne sammelte sich in ihrem Auge und glitt durch ihre dichten Wimpern. Lysaer fing sie mit einem Finger, ehe er mit scheuer Ehrfurcht die geschorenen Haare zu untersuchen begann. Strähne um güldene Strähne ließ er durch die Finger gleiten, und die Spitzen strichen sanft über die weiche Haut in ihrem Nacken.
»Ich hätte nie …«, setzte Talith erneut an.
Doch Lysaer legte ihr sanft einen Finger auf die Lippen. »Was geschehen ist, ist geschehen. Belaste dich nicht mit unnötiger Reue.« Seine Hand legte sich kraftvoll um ihren Nacken, als er sie in seine Umarmung, in seinen Kuß zog.
Zu lang, zu schmerzlich waren die Monate der Trennung gewesen, und der Augenblick war erfüllt von beinahe bis zur Unerträglichkeit aufgewühlten Gefühlen. Talith schlang die Arme um ihren Gemahl, sosehr fürchtete sie, ihre Knie könnten nachgeben. »Mein Liebster, vergiß Vastmark. Gib diese nutzlose Jagd, diesen sinnlosen Krieg auf, und komm zurück zu mir. Laß uns auf den Fundamenten Avenors ein neues, gesundes Königreich erbauen.«
Lysaer strich mit den Daumen durch die seidenen, kurzen Locken, die sich um ihre Schläfen kräuselten. Verlockend war die Versuchung. Ihre Wärme in seinen Armen gab ihm das Gefühl zu leben, frei zu sein, beinahe, als würden sich allein durch die Wohltat ihrer Anwesenheit alle Klüfte in seinem Leben schließen. »Meine Geliebte«, entgegnete er mit tiefstem Bedauern in der Stimme, »es kann keinen Frieden geben, ehe nicht mein Heer im Süden dem Leben des Herrn der Schatten ein Ende setzt.«
»Er verdient diese Mühe
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