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Der Fluch des Nebelgeistes 06 - Das Schiff der Hoffnung

Der Fluch des Nebelgeistes 06 - Das Schiff der Hoffnung

Titel: Der Fluch des Nebelgeistes 06 - Das Schiff der Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janny Wurts
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seinen Verstand verlieren und sich von ihr überwältigen lassen mußte.
    Lysaer wich unter Todesangst vor ihr zurück. Er sehnte sich danach, sich in ihr zu verlieren, und sein Verlangen jagte ihm Schauer über den ganzen Leib. Plötzlich schien seine Ehre als Prinz nichts weiter als trübsinnige Pflicht zu bedeuten, eine Pflicht, die der Schwäche Nahrung gab, die die Liebesbande bereits über seinen Geist gebracht hatten.
    Im Bilde seiner Gemahlin erblickte er den eigenen Niedergang, und die entsetzliche Abscheu, die er bei dieser Erkenntnis empfand, mußte sich in seinen Zügen widergespiegelt haben.
    »Gnädiger Ath, was denkst du nur?« Hilflos hob Talith die Arme. »Bildest du dir ein, ich wäre zurückgeschickt worden, um dich ins Verderben zu locken?«
    Erneut zuckte Lysaer vor ihrer Berührung zurück.
    »Möge Daelion uns gnädig sein, was du da andeutest, ist wahrhaft niederträchtig!« So verletzt, daß nicht einmal ihr Hochmut sie noch aufrechthalten konnte, verlegte sich Talith aufs Flehen. »Dein Feind hat mich niemals angerührt!«
    Sein Verhalten hatte eher zum entgegengesetzten Extrem tendiert. Kaum hatte sie sich bereitgefunden, auch die positiven Seiten des Mannes anzuerkennen, hatte sich Arithon voller Skrupel von ihr ferngehalten. Nichtsdestotrotz war der Schaden bereits angerichtet. Ohne Aussicht auf Vergebung errichtete das Gift des Mißtrauens eine Mauer zwischen zwei Menschen, deren zukünftiges Glück von Liebe und Vergebung abhängig war.
    »Nie hätte diese Sache einen Keil zwischen uns treiben sollen«, rief Talith mit tief bekümmerter Stimme. »Es ging nur um das Lösegeld, das in Gold bezahlt werden sollte, um die Wehren zu bezahlen, die er brauchte, sich der vereinten Macht deines Heeres zu stellen.«
    »Wahrheit oder Ausflucht, was macht das schon?« Ermattet lehnte Lysaer sich an die Lehne eines gepolsterten Stuhles. »Meine Nemesis hat deinen Glauben an mich zerstört.«
    Ihre Schönheit strahlte unverändert, unvergeßlich. Das Bedürfnis nach Zärtlichkeit, das die Monate der Gefangenschaft so jammervoll hatte werden lassen, wandelte sich nun zu einem Schmerz, so scharf wie der Schnitt eines Skalpells in lebendigem Fleisch. Die extreme Härte, die Lysaer brauchte, um nicht zusammenzubrechen, schlug sich auf seinen Zügen als eisige Maske nieder.
    Demoralisiert, wenngleich noch nicht vollends entmutigt, klammerte sich Lysaer verzweifelt an seine Prinzipien. Sein Anblick, der Schmerz in seinen Zügen, während er dagegen ankämpfte, von dieser bitteren Frucht des Verrats überwältigt zu werden, war kaum zu ertragen. War er auch von königlicher Herkunft, dazu erzogen, die Gerechtigkeit zu wahren, auch dann, wenn er sich selbst dafür opfern mußte, so hatte diese Bürde seiner Abstammung ihn doch nie zuvor so grausam erschüttert. Nichts war mehr von seiner stolzen, aufrechten Haltung zu spüren, nun, da sein Glaube an sich selbst verderblicher Leidenschaft zum Opfer zu fallen drohte.
    »O mein Geliebter«, rief Talith, unfähig, die Kluft zu ertragen, die sich zwischen ihnen aufgetan hatte. »Nichts hat sich an mir, an meinem Leben oder meiner Liebe verändert, was zwischen uns von Belang wäre.« Erneut bewegte sie sich auf ihn zu, bettelte förmlich um eine Umarmung, um eine Versicherung, die es ihnen gestatten würde, die Basis ihrer Beziehung auf ein festes Fundament zu gründen.
    Lysaer schrie auf, schob ihr den Stuhl in den Weg und griff blind nach dem Türriegel, die andere Hand hoch erhoben. Dann fand er die Klinke und zerrte die Tür auf.
    Kein Zweifel, er würde tatsächlich gehen. Talith preßte die Hand an die Lippen. Unter Tränen bettelte sie um ein Wort der Versöhnung. »Ich beschwöre dich, geh jetzt nicht. Laß nicht den Feind zwischen uns stehen.«
    Ihr Anblick, so gebrochen, um Zuwendung bettelnd und doch, dem Treuebruch zum Trotz, aufrecht und stark, zerschmetterte auch den letzten Rest seines Stolzes. »O Ath, wie sehr ich dich liebe«, brachte er, von Kummer halb erstickt, hervor.
    Dann schlug die Tür krachend ins Schloß. Klirrend rastete der Riegel ein. Sicher auf der anderen Seite, preßte der Prinz des Westens seine Wange gegen das lackierte Holz, gestraft mit einer Zukunftsperspektive, die für den Trost der Tränen noch zu schmerzlich war.
    In seinem Leiden erlebte er die Wirklichkeit in unnatürlicher Deutlichkeit. Der Geruch des gewachsten Holzes; die aufgeregte Flucht zweier Mägde, die er bei Müßiggang und Tratsch im Korridor gestört hatte;

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