Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Fluch des Nebelgeistes 06 - Das Schiff der Hoffnung

Der Fluch des Nebelgeistes 06 - Das Schiff der Hoffnung

Titel: Der Fluch des Nebelgeistes 06 - Das Schiff der Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janny Wurts
Vom Netzwerk:
andere stützte tapfer seinen Kameraden.
    Nicht jedes Gesicht gehörte einem Fremden. Ganz in der Nähe lag ein Seemann von der gesunkenen Fischerschaluppe aus Merior mehr tot als lebendig auf der Seite und verfluchte mit seinen letzten, angestrengten Atemzügen den Namen des Herrn der Schatten, dessen gnadenlose Tat sein Leben forderte, ihn verkrüppelt und verbrannt zwischen all die Toten auf jener Felsplatte gespült hatte. Wortlos, den Blick fest nach vorn gerichtet, ging Arithon an ihm vorbei. In einer anderen Gruppe von Pfeilen durchbohrter Männer, von denen einer tödlich getroffen worden war, wählte er wieder einen Verwundeten. »Nehmt den mit der Schulterwunde.«
    Als der Mann gewaltsam von seinem Kameraden fortgezerrt wurde, schrie er: »Erbarmen, was soll nun aus meinem Freund werden?«
    Arithon antwortete nicht, sondern ging einfach weiter. Die Männer mit der Trage, die den weinenden Städter von seinem am Boden liegenden Kumpanen trennten, wußten es mit kalter Gewißheit, doch auch sie schwiegen. All jene, die ihr Prinz nicht erwählte, sollten an Ort und Stelle einen raschen Gnadenstoß erhalten, der ihr Leiden beenden würde. Kaum einen Schritt hinter den Männern mit den Tragen folgten die Kundschafter mit den blutigen Messern. Auf den strikten Befehl ihres Herrschers verrichteten sie unerschrocken ihr schauriges Werk unter den entsetzten Blicken der wenigen, die überleben durften. Innerhalb von drei Stunden war keine lebende Seele mehr am Strand von Haven, nur Leichname, die den Wyverns zum Fraß überlassen blieben. Die Khetienn beendete die Blockade und glitt auf die offene See hinaus, fort von all den Trümmerteilen und der rauchgeschwängerten Luft in der Bucht.
    Bogenschützen aus den Sippschaften und Clankundschafter, die nicht herabgestiegen waren, der Flut der Leichen am Strand ansichtig zu werden, wurden in kleine Gruppen aufgeteilt und auf Caolles Anweisung zu anderen Orten gesandt. Die Männer, die die Verwundeten mit kaltschnäuzigem Eifer abtransportiert hatten, bewachten nun ein Lager unter freiem Himmel, in dessen Mitte ein sonnengebleichtes Hirtenzelt als Lazarett diente.
    Dort wurden die Überlebenden von demselben schwarzhaarigen Mann behandelt, der bestimmt hatte, wer verschont werden sollte. Regelmäßig machte er seine Runde zwischen den Lagerstätten, still, beherrscht und wohlvertraut mit der Kunst des Heilens. Die Arzneien in seinem Beutel entbehrten jeglicher Hexerei, und er sprach kein unnötiges Wort.
    »Was wird der Schattengebieter uns antun?« keuchte ein Knabe mit einem gebrochenen Arm, den zwei Kundschafter gewaltsam festhielten, während die Knochen geschient wurden. »Warum sind wir verschont worden, wenn nicht, um ein noch schrecklicheres Schicksal zu erleiden?«
    Sein Jammern blieb unbeantwortet. Der zierliche, dunkelhaarige Mann legte nur still den Verband um die Schiene, und die Berührung seiner sicheren Hände war äußerst sanft. In dem Zelt, in dem der Geruch aufgewühlten Staubes sich mit den Ausdünstungen der Kräuterpasten für Heilumschläge vermengte, ging er zu einem Mann, der sich stöhnend auf der nächsten Pritsche krümmte, und legte ihm eine Kompresse auf die klaffende Schulterwunde.
    Hinter ihm entließen die Kundschafter den Knaben aus ihrem Griff, und er legte seinen Kopf auf die angezogenen Knie und weinte in stiller Furcht. Niemand kam, ihn zu trösten. Nicht ein Funke des Erbarmens spiegelte sich in den Augen der Kundschafter, die das Zelt bewachten, und der Mann, der ihnen Linderung und Beistand für die Schmerzen brachte, schien taub zu sein für den Aufschrei einer gemarterten Seele.
    Als die letzte Wunde behandelt, der letzte zerschmetterte Knochen gerichtet und der letzte Schlaftrunk zur Linderung der Schmerzensqualen ausgegeben war, blieben die gefangenen Verwundeten aus den Fluchten sich selbst überlassen. Die tiefstehende Sonne schickte ihre Strahlen über die Höhenlage, und zu dem beißenden Kräutergeruch gesellte sich der widerliche Gestank alten Filzes. Der Wind drückte die Zeltbahnen nieder und zerrte an den safrangelben und rostroten Mustern, die sich um die Firststange schlängelten. In furchtsamem Flüsterton begannen die Männer, die noch wach waren, zu sprechen. Sie verglichen ihre Beobachtungen und kamen rasch zu dem Schluß, daß all den Auserwählten nichts gemeinsam war, außer der Tatsache, daß keiner von ihnen eine Beinverletzung davongetragen hatte, die seine Gehfähigkeit einschränken konnte. Einige waren

Weitere Kostenlose Bücher