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Der Fluch des Nebelgeistes 06 - Das Schiff der Hoffnung

Der Fluch des Nebelgeistes 06 - Das Schiff der Hoffnung

Titel: Der Fluch des Nebelgeistes 06 - Das Schiff der Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janny Wurts
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ausgesucht worden, während sie sich in einem Akt der Feigheit tot gestellt und hinter ihren gefallenen Kameraden versteckt hatten. Andere waren auf irgendeinem von den Gezeiten umspülten Absatz oder in einer kleinen Felsennische in die Enge getrieben worden.
    »Warum wurden wir verschont?« so fragten sie, stetig verfolgt von der Erinnerung an fünfhundertvierzig Kameraden, die in einem einzigen Schlag erbarmungslos vom Rad des Schicksals gestoßen worden waren.
    In diesem Fest zügellosen Mordens hatte der Herr der Schatten einen Mann an die Klinge eines Kopfjägers verloren, der ihn aus dem Hinterhalt seiner Deckung heraus erstochen hatte. Zwei andere Kundschafter hatten sich während ihres mörderischen Tuns unter den Verwundeten leichte Verletzungen zugezogen. Jene Männer hatten warten müssen, blutend, doch mit stoischer Geduld, bis der dunkelhaarige Heiler die Behandlung der Feinde abgeschlossen hatte.
    »Was, wenn wir ausgewählt wurden, in irgendeinem scheußlichen Ritual geopfert zu werden?« fragte ein Veteran mit verkrüppelter Hand. Und während die Sonne langsam am Horizont versank, blitzten in der Düsternis des Zeltes furchtsame Augen auf, wurden die Blicke gesenkt, und der Knabe in der Ecke weinte sich hilflos schluchzend allmählich in den Schlaf aus körperlicher und geistiger Erschöpfung.
    Die Nacht senkte sich bereits über Vastmark, als der Wahnsinnige Prophet endlich den Mut fand, herauszukommen und die Zelte aufzusuchen, in denen die nervösen Männer lagerten. Auf dem abschüssigen, steinigen Gelände schlenderte er zwischen den Herdfeuern der Clankundschafter hindurch, die angetreten waren, ihrem hohen Herrscher zu dienen. Er lauschte den Gesprächen, den heiser vorgetragenen Scherzen und den zerrissenen Augenblicken der Stille, die stets einer der Männer mit Gelächter, mit einer Geschichte oder Großtuerei unterbrach. Sie hatten den Sieg davongetragen. Im Angesicht des Schreckgespenstes vielfachen Todes feierten diese Männer ihre eigenen Bande zum Leben. Unter Clankriegern, denen der tiefverwurzelte Haß ewiger Fehden wohlbekannt war, wurde hier und da in der Glut der Genugtuung eine abwegige Klage laut.
    »Es gibt noch vierzehn weitere Buchten wie diese«, grummelte jemand. »Es ist wirklich sonderbar, daß unser Prinz sie nicht ebenso angegriffen hat. Wir hatten doch genug Bogenschützen, sie alle zu überfallen und dreitausend grausame Städter noch in dieser Nacht den Wyverns zum Fraß vorzuwerfen.«
    »Nur gut, daß seine Hoheit außer Hörweite ist«, warf ein anderer Mann aus dem Hintergrund ein. »Bei seiner derzeitigen Laune würde es mich nicht wundern, wenn er dir deine lose Zunge abschneiden würde.«
    Dakar zog sich aus dem Kreis der Kundschafter zurück. Wenig überrascht stellte er sodann fest, daß das Feuer, vor dem Arithon gekniet und Arzneien zubereitet hatte, verlassen und zu einem Haufen Asche niedergebrannt war.
    Nur der braune Beutel mit seinen Kräuterdosen, den ordentlichen Rollen Verbandsstoff und den gläsernen Flakons mit allerlei Tinkturen und Elixieren war noch da, und die Verschlußriemen waren fest verzurrt, ein sicheres Zeichen dafür, daß der Prinz nicht unterwegs war, sich um die Verwundeten zu kümmern.
    Erfüllt von dem bitteren Gedanken, daß das Ende eines Sommers alles der Vergessenheit preisgeben mochte, kratzte sich Dakar an dem von Bartstoppeln verunzierten Kinn, während er, begleitet vom sommerlichen Chor zirpender Grillen, besorgt überlegte, wo er jenen Prinzen suchen sollte, der zur Zeit gewiß eine bösartige Abneigung gegen jede Art der Gesellschaft hegte.
    Die Erinnerung an den Schrein des Ath in Seehafen in der Nacht, in der Halliron gestorben war, kam ihm in den Sinn.
    Nach einem kurzen Augenblick des Zögerns ließ Dakar die Lagerfeuer mit den Männern hinter sich, deren Scherzen und Gelächter ein schaurig schriller Unterton anhaftete.
    Im Licht der Sterne schritt er durch das samentragende Gras und über Flechten, die auf ihren Betten bloßen Schiefergesteins unter seinen Sohlen zermalmt wurden. Er wand sich vorbei an Stechginster und Farnen, atmete den Duft wilden Thymians, bis er schließlich jene Klippe erreichte, von der aus man auf die offene See blicken konnte.
    Der Halbmond zauberte feine Lichtreflexionen auf das tiefblaue Wasser zwischen den vorspringenden Landspitzen.
    Winde strichen über die wilden Felsen, befrachtet mit dem Salz des Meeres. Insekten sangen ihr letztes, frenetisches Paarungslied, bevor der erste Frost

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