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Der Fluch des Nebelgeistes 06 - Das Schiff der Hoffnung

Der Fluch des Nebelgeistes 06 - Das Schiff der Hoffnung

Titel: Der Fluch des Nebelgeistes 06 - Das Schiff der Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janny Wurts
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des Herbstes sie tötete. Ein Mann, der über magische Wahrnehmung verfügte, konnte den weißblauen Tanz ihrer Lebensenergien sehen, die, winzigen Sternen gleich, zwischen Dornensträuchern und Farnwedeln schwebten.
    Ein solcher Mann konnte auch die nebelhaften, glühenden Überreste erloschener, vorzeitig dem Sein entrissener Lebenskraft erkennen; den animalischen Magnetismus des Blutes spüren, der sich wie ein verderblicher Dunst in der Luft über den Fluchten verteilt hatte. Das erschütternde Leuchten würde im Lauf der Tage langsam verblassen, bis allein der Felsen noch die Spuren jener Vibration trüge. Dort würde die schwache Resonanz zurückbleiben wie ein Schrei in der Dunkelheit, um für lange Zeit an die vergangene Gewalt zu erinnern. Einst, als die Ilitharis Paravianer noch durch das Land zogen, hatten ihre Gesänge den Spuk kummervoll beladener Energien erlöst. Die silberne Reinheit des Regens tat ebensolches über Jahrtausende hinweg, genug, ein ganzes Zeitalter zu formen.
    Ein Prinz, dessen magische Wahrnehmung erblindet war, konnte nichts von all dem sehen, aber sein Meisterbardenohr mochte das Wehklagen der verzweifelten Geister hören, die sich noch aufmachen mußten, als heile Seele den Übergang vom Leben zum Tode zu meistern.
    Voller Trauer mochte er nun seiner verlorenen Macht nachtrauern, war es ihm dieses Mal, an diesem Ort doch nicht gegeben, ein Ritual zu wirken, um Freiheit und Erlösung für diesen unverziehenen Tribut an Menschenleben zu erflehen.
    Sorgenvoll beschleunigte Dakar seine Schritte, trampelte über die spätblühenden Astern hinweg, die wie feine Spitze zwischen den Ginsterpflanzen hervorlugten. Bevor er sich wirklich vorbereitet fühlte, traf er auf ein steiles Vorgebirge, das nur über einen schmalen, abschüssigen Pfad zugänglich war. Und oben auf der sich verjüngenden Anhöhe, nurmehr ein konturloser Umriß vor dem Mondenschein, erkannte er eine zusammengesunkene Gestalt, die die Arme um die Knie geschlungen hatte, als könnte diese Haltung einen unwilligen Geist an sein Gefäß aus gepeinigtem Fleisch binden.
    Noch ein Moment des Zauderns, des Zurückschreckens, ehe er sich, gestählt gegen was auch immer ihm an Abweisung entgegenschlagen würde, an den Aufstieg wagte.
    Arithon s’Ffalenn rührte sich nicht, als der unerwünschte Neuankömmling sich mit knirschenden Schritten näherte und schließlich neben ihm stehenblieb. Ohne den Kopf zu heben, murmelte er in giftigem Ton: »Ich nehme an, du wolltest dir die Gelegenheit, dich einzumischen, nicht entgehenlassen.«
    Dakar, der wenig Erfahrung im Umgang mit den Problemen anderer hatte, sprach das erste aus, was ihm in den Sinn kam, um die lastende Stille zu durchbrechen.
    »Brüten wird dich nicht weiterbringen.«
    Während der Wind durch sein Haar strich und an den Bändern der wildledernen Schäferjacke des anderen Mannes zerrte, trat ein Augenblick unbehaglichen Schweigens ein. »Du hattest keine Wahl, und du wirst auch morgen keine Wahl haben. Das Blut ist geflossen, also akzeptiere, was geschehen ist, und laß es gut sein.«
    Mit bösartiger Miene blickte Arithon auf. »Du wirst mir nicht das Mäntelchen des notleidenden Märtyrers überwerfen. Ich habe mich für diesen Kampf entschieden, weißt du noch? Andernfalls wäre ich jetzt an Bord der Khetienn und weit von diesen Küsten entfernt. Doch die Reue über diesen Tag soll Lysaer empfinden.« Er löste sich ein wenig mehr aus seiner verkrümmten Haltung, um nach einer ledernen Feldflasche zu greifen, die er in der Armbeuge verborgen hatte. Kaum hatte er den mit Troddeln verzierten Korken gelöst, drang der unverwechselbar süße Geruch des starken Gebräus an Dakars Nase. »Trinkst du mit mir auf die Tränen meines Halbbruders?«
    Dakar entriß die dargebotene Flasche den starken Fingern und schleuderte sie über den Rand der Klippe.
    Vollkommen ruhig sagte er dann: »Du verdammter Narr! Ich kenne dich viel zu gut, nicht zu wissen, was du fühlst.«
    »Und dafür sollst du verflucht sein, wenn ich es recht bedenke«, brachte Arithon mühsam hustend hervor. Seine Hände wischten über sein Gesicht, wollten die Augen bedecken, und er rollte seitwärts ins Gras.
    Wohlwissend, was hier geschah, ließ sich Dakar auf die Knie fallen. Mit hartem Griff packte er die verspannten Schultern des Prinzen und hielt ihn fest in seinen Armen. Auf einmal brach Arithon vollends zusammen, krümmte sich hilflos unter Leibeskrämpfen und würgender Übelkeit, die viel zu lange

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