Der Fluch des Salamanders
schon gesagt. Sie sind ganz kurz davor«, antwortete Pablo. Auch er sah Lea dabei nicht an. Mit seinem Daumen glitt er prüfend über die Klinge, um ihre Schärfe zu testen.
»Aber warum …« Weiter kam Lea nicht. Ein Schrei unterbrach sie. Diesmal war es keiner der Brüllaffen, sondern John, der aus einem bösen Traum aufgeschreckt war.
Lea war sofort bei ihm. Es dauerte eine Weile, bis ihr Bruder begriffen hatte, wo er war. Nicht in seinem Bett in Omas Haus bei seinen Büchern, sondern irgendwo in Mittelamerika, irgendwo mitten im Urwald.
»Ich habe Durst«, sagte John, als er wieder ganz bei sich war.
»Das Wasser ist alle!«, antwortete Lea und hielt die leere Wasserflasche hoch.
»Und nun? Sollen wir uns ein Wasserbauchschweinsuchen? Das könnte man melken wie eine Kuh«, rettete sich John in einen Scherz. Wieder einmal, damit die anderen nicht merkten, wie sehr ihm ihre Lage zu schaffen machte.
Sogar Pablo hatte sich schon an Johns Fantastereien gewöhnt. Er ignorierte die Bemerkung und nahm Lea die Flasche aus der Hand. Dann stand er auf und zupfte an der Plane, die sie in der Nacht vor dem Regen geschützt hatte. Auf dem Plastik hatten sich Pfützen gebildet. Geschickt ließ er das Wasser in die Flasche laufen und hielt sie John hin.
»Müssen wir das nicht erst abkochen?«, fragte John.
»Das ist besser als das Wasser aus dem Fluss«, erklärte Pablo.
Als der junge Indio merkte, dass John und Lea zögerten, nahm er selber einen Schluck.
»Das Wasser kommt direkt aus dem Himmel und der ist sauber«, fuhr er fort, als er John die Flasche reichte.
»Danke!«, sagte John und trank.
»Und jetzt essen wir! Dann gehen wir weiter.«
»Was gibt’s denn?«, fragte Lea.
»Tortillas und Bohnen«, erwiderte Pablo und grinste. »Oder Affe. Ihr könnt wählen.«
Als sie fertig gegessen hatten, drängte Pablo zum Aufbruch.
Sie folgten weiter dem Pfad am Ufer entlang, um einen Übergang über den Fluss zu finden. Plötzlich blieb Pablo stehen und kniete sich auf den Boden.
Jetzt sahen es die Zwillinge auch: Es war der Abdruck einer Tatze, so groß wie ein Frühstücksteller. Die Konturen der fünf Ballen, ein großer und vier kleine, die sich im Matsch abzeichneten, waren deutlich zu erkennen.
Lea kannte den Abdruck aus ihren Büchern zu Hause. Es waren die Spuren eines Pumas. Es gab nicht mehr viele von ihnen in Guatemala und die meisten machten um Menschen einen großen Bogen, auch das wusste sie.
»Sie ist ganz frisch, sonst hätte der Regen sie heute Nacht weggewischt«, erklärte Pablo. »Es kann noch nicht lange her sein, dass der Puma hier vorbeigekommen ist.«
(aus Leas Notizbuch)
Pablo sah besorgt aus, als er sich wieder aufrichtete. Besorgter als zuvor.
»Wegen dem hetzt du uns also so durch denDschungel?«, sagte Lea und zeigte auf den Abdruck der Pumatatze.
»Ein Yeti wäre mir lieber gewesen«, bemerkte John.
»Wie? Ach so, ja, ja«, murmelte Pablo, der mit seinen Gedanken ganz woanders zu sein schien. »Wir müssen weiter. Je schneller wir in der Stadt sind, desto besser.«
Als sie weitergingen, ließen Lea und John den Pfad vor ihren Füßen nicht aus den Augen. Sie suchten nach weiteren Spuren des Pumas. Bei jedem verdächtigen Geräusch zuckten sie zusammen und davon gab es im Urwald eine Menge.
»Was starrt ihr denn da dauernd auf den Boden?«, fragte Pablo genervt.
Lea war ihm schon zweimal in den Rücken gelaufen, weil sie nicht bemerkt hatte, dass der junge Indio stehen geblieben war, um die Umgebung zu beobachten.
»Wir suchen nach Spuren von dem Puma«, erwiderte Lea.
Pablo verdrehte die Augen. Das hatte er von Lea gelernt.
»Pumas sucht man nicht mit dem Auge. Pumas findet man mit der Nase«, erklärte er und tippte sich an seine eigene.
»Du kannst den riechen?«, fragte John überrascht.
»Im Dschungel ist deine Nase tausendmal mehr wert als deine Augen«, antwortete Pablo und zeigte auf das dichte Grün, das rechts und links des Pfades wuchs. Durch den schmalen Weg erreichte hier das Sonnenlicht den Waldboden und ließ die Pflanzen üppig wuchern.
»Und dich kann der Puma auch riechen. Ist gar nicht schwer«, antwortete er und deutete auf Johns Haar. »Die Seife auf deinem Kopf stinkt meilenweit.«
»Mein Shampoo? Aber ich habe mir doch schon seit mindestens drei Tagen die Haare nicht mehr gewaschen«, erwiderte John. Er griff sich unwillkürlich auf den Kopf und schnüffelte an seiner Hand. Er roch nichts, absolut gar nichts.
»Das Zeug stinkt so stark, das
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