Der Fluch des Sündenbuchs: Historischer Roman (German Edition)
Handbewegung: »Ach was, Columbus ist ebenfalls im September von hier gestartet. Er hat in der großen Werft eines seiner Schiffe reparieren lassen. Die Pinta.«
»Woher weißt du das?«, fragte Conrad.
»Ich habe mich mit Valdiva unterhalten. Er hat mir versichert, dass die erwarteten Schiffe noch diese Woche eintreffen werden. Der Kapitän eines Handelsschiffs ist sein Schwager, und der will rasch weiter durch die Straße von Gibraltar segeln, um noch vor dem Winter wieder zu Hause zu sein, seine Frau erwartet ihr erstes Kind.«
Conrad neigte den Kopf zur Seite. »Hat der Spanier dir verraten, was sein Schwager Wertvolles transportiert?«
Jana schluckte hart, ehe sie sprach. Sie wusste, dass ihre Antwort Conrad nicht gefallen würde. Deshalb hatte sie es ihm bisher verschwiegen. Nun wurden ihre Worte beinahe vom Rauschen der nächsten Welle verschluckt, so leise sprach sie. Aber Conrad verstand sie trotzdem und wurde blass vor Entsetzen.
»Sklaven.«
Bereits am nächsten Morgen tauchten am Horizont zwei Handelsschiffe aus Nordafrika auf. Schon von weitem war zu erkennen, dass es sich um zwei schwere Galeonen handelte, die tief im Wasser lagen. Sie segelten hintereinander und steuerten direkt auf die Bucht Bahia de Gando zu. Jana und Conrad beobachteten ihr Eintreffen.
Sie saßen etwas abseits der Werft, auf einem langen Brett, das man auf zwei Holzblöcke gelegt hatte und das den Arbeitern während ihrer kurzen Pausen als Bank diente. Von hinten drang der scharfe Geruch heißen Pechs zu ihnen, das in einem der riesigen Öfen kochte. Die Arbeiter versuchten damit die Plankennähte der Schiffe möglichst wasserundurchlässig zu machen, dennoch musste während jeder großen Schiffsreise auf hoher See noch nachgebessert werden.
Jana hatte ihr Frühstück, bestehend aus getrocknetem Fisch und Brot, bereits aufgegessen, Conrad kaute immer noch lustlos an seiner salzigen Sardine.
»Die Schiffe sehen kleiner aus als die Santa Lucia«, bemerkte Jana.
Conrad schluckte einen Bissen seines Fischs und blinzelte aufs Meer. Die beiden Handelsschiffe verfügten über drei Masten, genau wie die riesige portugiesische Noa, mit der sie unterwegs waren, doch der Rumpf der Galeonen war deutlich schlanker und die Gesamtlänge der Schiffe kürzer.
»Einen schönen guten Morgen«, sagte eine tiefe Stimme hinter ihnen. Mario Servante, der Schiffslotse, war zu ihnen getreten. Es war schwer, das Alter dieses kleinen, drahtigen Mannes zu schätzen. Die Jahre auf dem Meer hatten die Haut seines Gesichts wie Leder gegerbt, deshalb war nicht klar, ob die Falten eine Erscheinung des Alters oder ein Resultat von Wind, Sonne und Regen waren. Der spanische Lotse mit deutschen Wurzeln war mit Abstand der gebildetste Mann an Bord der Santa Lucia. Rangmäßig unterstand er dem Steuermann, dem direkten Vertrauten des Kapitäns, dennoch war er der Einzige auf der Santa Lucia, der fundierte Kenntnisse in Astronomie und Mathematik besaß. Er musste die Breitengrade messen und den Kurs des Schiffes immer wieder aufs Neue berechnen.
Servante war einer der wenigen Männer an Bord, der sich mit Jana und Conrad abgab. Alle anderen behandelten sie wie lästigen Ballast, der im Weg herumstand. Der Lotse schien die Gespräche mit Conrad, einem Mann der Wissenschaft, zu genießen. Die meisten Männer auf dem Schiff waren einfache Matrosen, die weder lesen noch schreiben konnten und ihr ganzes Leben auf dem Meer verbracht hatten. Viele von ihnen waren schon im frühen Kindesalter zum ersten Mal zur See gefahren. Das entbehrungsreiche Leben auf dem Meer, die ständige Gefahr und die Naturgewalten, denen sie Tag für Tag ausgesetzt waren, hatten sie zu rauen, wortkargen Männern gemacht. Ganz anders Servante. Er ließ keine Gelegenheit aus, sich mit Jana und Conrad zu unterhalten. Manchmal fand Jana seine Neugier unangenehm und sein Interesse aufdringlich. Sie begann schon zu fürchten, er könnte etwas von der Schatzkarte ahnen.
Auch jetzt trat er eine Spur zu nah zu ihr und sagte: »Wenn alles nach Plan läuft, werden wir in den nächsten Tagen unsere Reise fortsetzen können.« Servante segelte bereits zum fünften Mal in die Neue Welt. Obwohl er ganz fürchterliche Geschichten erzählen konnte, von Matrosen, die im Sturm über Bord gespült wurden und ertranken, von Männern, die verdursteten, und von Piraten, die brutal ganze Mannschaften hinrichteten, wirkte er ganz erpicht auf die Überfahrt. Jana war sich nicht sicher, ob Servantes Geschichten
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