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Der Fluch des Sündenbuchs: Historischer Roman (German Edition)

Der Fluch des Sündenbuchs: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der Fluch des Sündenbuchs: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Maly
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Conrad hatten sich einen Platz etwas abseits vom Kai gesucht. Von hier aus hatten sie einen freien Blick auf die zwei Handelsschiffe. Nachdem die Anker gesetzt waren, wurden kleine, flache Ruderboote zu Wasser gelassen. In den Booten befanden sich Männer. Einige davon ruderten. Wegen des zunehmenden Windes kamen die Ruderboote nur langsam voran und schaukelten wie Nussschalen auf den immer höher werdenden Wellen. Als die Boote endlich nahe genug waren, sah Jana, dass die Insassen im ersten Boot ordentlich gekleidet waren. Vermutlich handelte es sich um den Kapitän, den Steuermann und vielleicht auch den Lotsen der Schiffe. Sie trugen feine Kniebundhosen, dunkle Jacken und weiße Spitzkrägen sowie vornehme Hüte mit bunten Federn. In den Booten dahinter hockten einfache Matrosen und dunkelhäutige Gefangene, die meisten von ihnen waren nackt.
    Endlich legte das erste Ruderboot an. Ein Hafenarbeiter half beim Befestigen der Taue. Geschickt stiegen die vornehm Gekleideten aus. Ganz offensichtlich genossen sie den Empfang, der ihnen bereitet wurde. Sie spazierten durch die Menschenmenge, als wären sie Könige oder Herzoge. Einige Schaulustige jubelten ihnen zu. Danach folgte das Boot mit den ersten Gefangenen. Ein untersetzter Seemann mit schmutzigem Hemd und ausgetretenen Stiefeln trieb die Schwarzen mit einem Stock aus dem Ruderboot. Er hatte kaum noch Haare auf dem Kopf und hinkte beim Gehen. Brutal schlug er mit einer Peitsche auf die Unglücklichen ein.
    Nie zuvor hatte Jana Menschen gesehen, deren Gesichter dunkel wie die Nacht waren. Entsetzt stellte sie fest, dass die Gefangenen mit schweren Fußketten aneinandergefesselt waren. Ein junger Bursche, er konnte nicht älter als fünfzehn sein, geriet ins Straucheln und stürzte ins Wasser. Dabei zog er zwei weitere Männer mit sich. Augenblicklich sprang der Aufseher zu ihm, zerrte ihn hoch und schlug mit einem dicken Stock zuerst auf den nackten Rücken des Jungen, dann auf seinen Kopf. Der Hinkende schimpfte auf Portugiesisch. Jana fragte sich, warum der Junge nicht seine Hände über seinen Kopf legte, um die Heftigkeit der Schläge abzufangen. Doch sofort erkannte sie den Grund dafür. Seine Hände waren fest am Rücken zusammengebunden. Der Junge drohte erneut zusammenzusacken, da lehnte der Gefangene hinter ihm sich schützend vor ihn und nahm statt seiner die Schläge in Kauf. Der Mann wirkte kräftig, hatte auffallend breite Schultern und ausgeprägte Muskeln. Die Schläge schienen an ihm abzuprallen, auch wenn seine Haut aufplatzte und Blut über seine Schultern floss. Die Entfernung war zu groß, so dass Jana sein Gesicht nicht genau sehen konnte, aber sie hätte schwören können, dass es keinen Schmerz, sondern pure Verachtung für seinen Peiniger zeigte.
    Während Conrad sich angewidert zur Seite drehte, konnte Jana ihren Blick nicht abwenden, sie war fasziniert von der aufrechten Körperhaltung des breitschultrigen Gefangenen. Der Mann schien über einen Stolz zu verfügen, den keine Peitsche der Welt brechen konnte. Woher nahm er die Kraft?
    Nun wurden die Sklaven mit Stockhieben über den Kai zu einem freien Platz am Hafen getrieben, die Menge tobte und jubelte. Es war, als würde man preisgekrönte Stiere, gebändigte Löwen oder Bären über einen Jahrmarkt hetzen. Kinder liefen neben dem Menschenzug her, lachten und applaudierten. Jana zog Conrad mit sich, der ihr nur widerwillig folgte.
    Vor dem Verwaltungsgebäude der spanischen Krone hatte man einen Tisch, mehrere Stühle und ein kleines Podest aufgestellt. Nachdem der reichste Kaufmann der Insel, der gleichzeitig der spanische Gouverneur war, die beiden Kapitäne der Sklavenschiffe mit Erfrischungen begrüßt hatte, nahmen die Männer auf den Stühlen Platz. Die Familie Peraza, die Herzöge von La Gomera, hätte nicht feierlicher empfangen werden können.
    Unterdessen führten die Matrosen die Gefangenen auf den freien Platz und ließen sie in ordentlichen Reihen aufstellen. Die potenziellen Käufer konnten nun von einem Sklaven zum nächsten gehen und sich von der Qualität der menschlichen Ware überzeugen, bevor die Männer einzeln auf das Podest gestellt und zum Kauf angeboten wurden.
    Durch das Drängen der Menge waren Jana und Conrad ganz vorne gelandet.
    »Ich habe genug gesehen«, sagte Conrad angewidert und wandte sich zum Gehen. Da drängte sich Kapitän Valdiva an ihm vorbei. Der Mann war beinahe so breit wie hoch und trug wie immer einen auffallenden Hut mit bunten Federn.

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