Der Fluch des Sündenbuchs: Historischer Roman (German Edition)
Lopez hatte darauf bestanden, dass Conrad einen Mantel nahm, denn es war eisig kalt. Der Tau der Nacht hing in den Gräsern, und nasskalte Luft stieg vom Boden her auf. Aber Conrad nahm weder Kälte noch Nässe wahr. Jede Faser seines Körpers war angespannt, und er starrte nach vorne, ohne etwas zu sehen. In wenigen Stunden würde er Jana treffen. Ob sie sich verändert hatte? Erneut versuchte er ihr Bild heraufzubeschwören, aber ohne Erfolg. Sie ritten den ganzen Tag durch, und als sie Zipaquirà endlich erreichten, stand die Sonne schon tief.
Jana nutzte die letzten Sonnenstrahlen und saß im Garten, wo sie Verbandszeug zu Rollen aufwickelte. Sie war völlig in die Arbeit vertieft, so dass sie die Schritte nicht bemerkte und erst reagierte, als ein Schatten auf die sauberen Stoffbahnen in ihren Händen fiel.
»Ihr steht mir im … Licht!«
Jana blickte auf und traute ihren Augen nicht. Sie blinzelte, sie konnte einfach nicht fassen, was sie da zu sehen glaubte. Aber da zog Conrad sie bereits hoch und schloss sie in seine Arme.
»Wie lange habe ich auf diesen Augenblick gewartet«, seufzte er, bevor er sie küsste. Es war ein zärtlicher Kuss, in dem all die Sehnsucht, Angst und Hoffnung der letzten Monate lagen.
»Du lebst!«, sagte Jana und tastete wie eine Blinde Conrads Gesicht mit beiden Händen ab, um sich zu vergewissern, dass er wirklich vor ihr stand und sie nicht bloß träumte.
»Ja, und du bist nicht mit einem anderen Mann verheiratet«, sagte Conrad.
»Wie kommst du denn auf die Idee?«, fragte Jana.
»Später, mein Schatz, später können wir uns alles erzählen. Aber jetzt muss ich dich einfach nur festhalten, damit mein Verstand begreift, dass ich dich wiedergefunden habe.«
Damit war Jana vorerst einverstanden.
Später lagen sie in Janas Bett. Conrad war bereits zufrieden eingeschlafen. Aber Jana war zu aufgeregt.
»Und du dachtest wirklich, ich hätte einen anderen Mann geheiratet?«, fragte sie empört und weckte Conrad wieder auf. Von allem, was er ihr in den letzten Stunden erzählt hatte, irritierte diese Vorstellung sie am meisten.
»Es kommt mir jetzt auch absurd vor«, gab Conrad schläfrig zu. Er zog sie näher an sich heran. »Du hast dich doch immer mit Händen und Füßen gegen die Ehe gewehrt.«
Zärtlich drehte er eine ihrer Locken, die immer noch kurz waren, zwischen den Fingern.
»Jetzt würde ich mich nicht mehr wehren«, sagte Jana leise.
Conrad ließ die Locke los und setzte sich auf. Mit einem Mal war er wieder völlig wach: »Habe ich mich da eben verhört?«
»Wenn du mich noch willst, dann würde ich dich gerne heiraten, und Kinder kann ich mir auch gut vorstellen.«
»Lass uns auf der Stelle einen Priester suchen«, sagte Conrad.
»Es ist weit nach Mitternacht.«
»Ganz egal. Morgen hast du es dir vielleicht wieder anders überlegt.«
Jana zog ihn zurück zu sich.
»Ich werde morgen genauso darüber denken wie heute, und wie ich es gestern getan habe und schon seit vielen Wochen. Ich habe bloß etwas länger gebraucht, um zu erkennen, was ich wirklich will.«
»Und was willst du?«
»Dich!«
»Keine Schatzsuche mehr?«
Jana schüttelte den Kopf: »Ich habe mein El Dorado bereits gefunden.«
»Investigatio igitur non frustra fuit! Dann war die Reise nicht umsonst.«
Nachwort
Die Suche nach Gold war eine der wesentlichen Triebfedern für die Erforschung und Eroberung Südamerikas. Die Legende um El Dorado beschäftigt die Menschen heute noch. Als Beweis dafür, dass der Zipa tatsächlich als vergoldeter Mann (= El Dorado) auf den See hinausgefahren war, dient ein Goldartefakt, das einen geschmückten Mann auf einem Floß darstellt. Das Kunstwerk wurde 1969 gefunden und ist heute im Goldmuseum von Bogotá zu bewundern.
Die Lagune von Guatavita gilt als mögliche Kultstätte der Muiscas, einem Volk, das sich auf die kunstvolle Bearbeitung von Gold spezialisiert hatte.
Bereits im 16. Jahrhundert gab es Versuche der spanischen Konquistadoren, den Schatz der Muiscas zu bergen. Damals versuchte man mit V-förmigen Einschnitten am Ufer, den See trockenzulegen. Das waghalsige Vorhaben misslang, und bis heute wurde der Schatz nicht gefunden.
Dass ein Erdbeben einen der Seen in der Gegend zum Verschwinden gebracht hat, ist durchaus denkbar, aber nicht bewiesen.
Wie immer habe ich mich bemüht, mich weitgehend an historische Tatsachen zu halten. Sir Walter Raleigh hat tatsächlich nach dem legendären Schatz gesucht und war angeblich im Besitz einer
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