Der Fluch des Sündenbuchs: Historischer Roman (German Edition)
Servante zog misstrauisch die Augenbrauen hoch.
»Das hoffe ich sehr«, murmelte Conrad.
»Macht Euch doch nicht lächerlich. Schon die Römer haben Schwarze aus Afrika geholt und sie versklavt. Das ist das Natürlichste der Welt.«
»Das sehe ich anders«, erwiderte Conrad und setzte zu einem Vortrag über die Würde des Menschen an, an der Servante aber nicht interessiert war. Er unterbrach Conrad mitten im Satz und wandte sich Jana zu: »Sobald die Schiffe da sind, solltet Ihr zur Anlegestelle kommen. Der Verkauf hat große Ähnlichkeit mit einem Jahrmarkt und ist sehenswert. Vielleicht findet Ihr einen preiswerten Schwarzen und könnt den Kapitän dazu überreden, ihn gegen ein entsprechendes Entgelt mitzunehmen. Auch wenn Euer Mann anderer Meinung ist, Euer Onkel wird es Euch danken.«
»Wenn mein Onkel einen neuen Sklaven benötigen würde, dann hätte er uns davon geschrieben«, sagte Jana rasch, bevor Conrad noch einmal seine Meinung zum Thema Sklaverei kundtun konnte.
»Wie Ihr meint. Auf alle Fälle könntet Ihr Rodriguez unterstützen.« Nun sprach er wieder mit Conrad. »Als Schiffsarzt muss er die Sklaven untersuchen. Wenn Ihr ihm dabei helft, dann geht es schneller.«
Conrad verzog sein Gesicht zu einer Grimasse und brachte damit zum Ausdruck, was er von dessen Fähigkeiten hielt. Dabei war die Anwesenheit eines Schiffsarztes bei einer derart langen Reise beinahe so wichtig wie die des Kapitäns. Conrad und Rodriguez waren sich bereits auf der Fahrt von Lissabon auf die Insel in die Haare geraten. Einer der Matrosen hatte sich den Finger gequetscht, worauf Rodriguez ihn amputieren wollte. Conrad hatte sich ungefragt eingemischt und darauf bestanden, dass die Fleischwunde versorgt und der Finger geschient wurde. Der Matrose hatte nun immer noch zehn Finger, worüber er sehr dankbar war.
»Ich denke, Rodriguez sollte die Männer lieber allein untersuchen. Es wird noch genug Situationen geben, in denen ich mit ihm streiten werde.«
Jana seufzte. Sie fürchtete, dass Conrad recht hatte, und war froh, dass er sich diesmal nicht einmischen wollte.
Die Kanarischen Inseln dienten fast allen Schiffen, die nach Amerika unterwegs waren, als letzter Anlaufpunkt zum Auffüllen der Vorräte. Viele Kapitäne wählten die Bucht von San Sebastian auf der Grafeninsel La Gomera als Ankerplatz. Andere, wie Valdiva, entschieden sich für Gran Canaria. Erstaunlicherweise verfügte keine der Inseln über einen besonders großen Hafen. Im Vergleich zu Lissabon war Las Palmas mit seinen rund fünftausend Einwohnern ein winziges Dorf. Im Hafen gab es eine Werft, einige Fischhändler, Tavernen und ein prächtiges Verwaltungsgebäude mit kleinen Balkons aus schwarzem Gusseisen. Hier trieb ein Beamter des Gouverneurs die Zölle und Abgaben für die spanische Krone ein. Um der Insel gesicherte Einnahmen zu garantieren, hatte Felipe II. bereits 1576 ein königliches Dekret erlassen, das den Sklavenhandel mit Amerika erlaubte. Aus diesem Grund landeten regelmäßig Lieferungen aus Afrika in Las Palmas. Im Moment lagen vier große Schiffe im Hafen. Also gingen die beiden Handelsschiffe aus Afrika außerhalb der Bucht vor Anker.
Jana hatte Conrad überredet, sie zum Hafen zu begleiten. Vielleicht hatten die Schiffe aus Afrika neben den Sklaven auch andere Waren an Bord, die sie zum Verkauf anboten.
Die beiden waren nicht die Einzigen, die die Neuankömmlinge erwarteten. Die Neuigkeit über die eingetroffenen Schiffe hatte sich wie ein Lauffeuer über Gran Canaria und die Nachbarinseln verbreitet. Hafenarbeiter und Bewohner aus dem Inneren der Insel sowie Plantagenbesitzer und reiche Adelige von den Nachbarinseln waren gekommen, um dem Spektakel beizuwohnen. Servante hatte erzählt, dass jeder Sklavenmarkt den Bewohnern der Inseln eine willkommene Abwechslung im anstrengenden und tristen Arbeitsalltag war. Der Verkauf von Menschen war besser als jedes Schauspiel und unterhaltsamer als Hahnen- oder Hundekämpfe. Außerdem war es der letzte Markt vor dem nahenden Winter. Setzten erst die Herbststürme ein, segelte kein vernünftiger Kapitän mehr Richtung Amerika.
Nun drängten sich Schaulustige und potenzielle Käufer durch die engen Straßen von Triana, dem Arbeits- und Wohnviertel von Las Palmas, Richtung Hafen. Die Alten und Gebrechlichen saßen bei offenen Fenstern und reckten die Hälse, um ebenfalls nichts zu verpassen. Für ein paar Stunden schienen alle, die es sich leisten konnten, ihre Arbeit niederzulegen.
Jana und
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