Der Fluch des Volkstribuns
Bürger.«
»Natürlich.« Die Marser waren als tüchtige Bauern bekannt und berüchtigt für magische Praktiken aller Art. »Bist du mit dem Tribun verwandt?«
»Nein, ich bin ein Freund. Zusammen mit einigen anderen habe ich ihm während seiner Amtszeit als Assistent gedient. Ich werde mehr als froh sein, wenn das Jahr vorbei ist.«
»Das Amt des Tribunen ist ziemlich anstrengend«, sagte ich, und das war noch zurück haltend formuliert.
Ateius Capito wohnte in einer engen Straße gegenüber einer identisch aussehenden Mietskaserne. Der Weg war von Menschen verstopft: Müßiggänger, Gefolgsleute, Bittsteller mit Papyrusrollen für den Tribunen sowie die üblichen Unzufriedenen, die dem Vertreter des Volkes ihr Anliegen vortragen wollten. Als sie den Senatorenstreifen auf meiner Tunika sahen, machten sie mir Platz. Einige der PapyrusrollenTräger versuchten, mir ihre Petitionen aufzudrängen, in der Hoffnung, daß ich sie dem Tribunen näher bringen würde, doch ich wies sie ab. Ich hatte keine Lust, die Arbeit eines anderen Politikers zu erledigen.
Die Tür stand natürlich offen. Ein uraltes Gesetz schrieb vor, daß die Tür zum Haus eines Tribunen, sogar die Tür zu seinem Schlafzimmer, für die Dauer seiner Amtszeit immer offenstehen mußte. Angeblich war dies ungefährlich, weil ein Tribun gegen jede Form von Gewalt immun war. Zwar waren in den vergangenen Jahren politischer Unruhe einige Tribunen ermordet worden, doch das galt als äußerst inkorrektes Verhalten.
Im Atrium war es genauso voll, doch hier kanalisierten Diener des bedeutenden Mannes die Besucher in kleine Gruppen, die ihre Petitionen, Fragen und Beschwerden allein oder zu zweit vorbringen durften. Als ich mit Silvius eintraf, traten die Diener zur Seite.
»Tribun Ateius Capito«, verkündete Silvius mit großer Geste, »darf ich dir den Senator Decius Caecilius Metellus den Jüngeren vorstellen!«
»Willkommen in meinem Haus, Senator«, sagte Ateius und erhob sich mit ausgestreckter Hand. Ich ergriff sie und konnte den Mann dabei zum ersten Mal von nahem betrachten. Er war schlank wie ein Dolch und hatte ein dunkles Gesicht mit feinen Zügen, das von ungewöhnlich großen und intensiven Augen beherrscht wurde. Genau genommen strahlte der ganze Mann eine eigenartige Intensität aus. Selbst als er vor mir stand, schien er zu vibrieren wie die angeschlagene Saite einer Lyra. »Du erweist mir eine große Ehre.«
»Die Ehre ist ganz auf meiner Seite. Ich sehe, wie beschäftigt du bist.«
»Ich stehe den Bürgern jederzeit zur Verfügung«, sagte er.
»Doch ich denke, sie werden uns ein paar Minuten entschuldigen.« Er trat mit erhobenen Händen vor die Tür.
»Meine Freunde und Mitbürger, ich muß mich kurz mit dem hervorragenden Senator Metellus beraten. Doch ich verspreche euch, daß ich euch alle danach anhören werde.« Unter Enttäuschungsbekundungen wichen die Menschen von der Tür zurück und ließen uns am Becken des Impluviums allein.
Nun, nicht direkt allein. Es blieben etwa ein Dutzend von Ateius' Freunden zurück, die meisten wie er selbst dem Ritterstand zugehörig. Es waren wohlhabende Männer, denn ein beträchtliches Vermögen war die einzige wirkliche Qualifikation zur Aufnahme in diesen Stand. Ateius stellte uns vor.
»Private oder förmliche Mahlzeiten sind für einen Tribunen praktisch ausgeschlossen«, sagte Ateius, »aber wenn du nicht allzu wählerisch bist, wird dir mein bescheidenes Büffet genügen.« Er führte mich zu einem langen, mit Speisen gedeckten Tisch.
»Das ist mehr als ausreichend«, versicherte ich ihm großzügig. Tatsächlich war es ein Imbiß der schlichtesten Art: Brot, Käse und frisches Obst, doch das war zu erwarten gewesen. Er mußte all seinen Besuchern etwas zu essen anbieten, und der Pöbel hätte ihn rasch in den Bankrott getrieben, wenn er Delikatessen aufgetischt hätte. Und einem Mann, der oft monatelang von Armeerationen gelebt hatte, wenn er welche ergattern konnte, war auch ein schlichtes Mahl durchaus recht. Ich häufte meinen Teller voll, stellte ihn auf einen kleinen Tisch, und Ateius nahm mir gegenüber Platz. Die anderen Männer standen höflich im Raum herum, weit genug entfernt, um uns ein wenig Vertraulichkeit zu gewähren, jedoch nahe genug, daß Ateius sie herbei rufen konnte, ohne die Stimme zu heben. Diese Form der Aufmerksamkeit ist eine hohe Kunst, auch wenn wir Römer sie nie in dem Maße perfektioniert haben, wie es an orientalischen Höfen der Fall ist.
Beim
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