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Der Fluch des Volkstribuns

Der Fluch des Volkstribuns

Titel: Der Fluch des Volkstribuns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Maddox Roberts
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Ateius. Er war ganz offensichtlich ein Mann mit begrenztem Humor. »Was meinst du dann?«
    »Die Republik«, begann er, »ruht seit Jahrhunderten auf drei Säulen. Erstens«, dabei hielt er einen knöchrigen Finger hoch, »dem politischen Plenum. Zweitens«, er hob einen zweiten, ebenso unansehnlichen Finger, »der Verfassung. Und drittens«, Finger Nummer drei war ein wenig kürzer als die beiden ersten und von einem Ring in Form einer Schlange verziert, die sich in den eigenen Schwanz biß, versehen mit einem winzigen Smaragd als Auge, »dem Willen der Götter.« Ich überlegte kurz, aber dagegen gab es nichts einzuwenden. »Das faßt es wohl so ziemlich zusammen.«
    »Wie du schon gesagt hast, sind die Möglichkeiten der beiden ersten mit Ausnahme konkreter Gewaltanwendung erschöpft.
    Bleibt nur die dritte.« Für einen Mann, der wirr redete, machte er einen ziemlich selbstzufriedenen Eindruck. »Die Götter? Ich bin sicher, daß sie auch in diesem Fall konsultiert worden sind; ganz bestimmt sind die angemessenen Opfer dargebracht, die Gebete gesprochen und die Auguren befragt worden. Doch wie wir alle wissen, mischen sich die Bewohner des Olymps in die römischen Angelegenheiten nur sehr selten direkt ein. Sie senden uns bestenfalls Zeichen, die wir zu unserem eigenen Schaden nicht beachten.«
    »Es gibt noch andere«, sagte er unheilschwanger. »Es gibt Götter, die weniger distanziert sind als die offiziellen Götter des Staates - Götter, die gewillt sind, denen zu helfen, die sich hilfesuchend an sie wenden.«
    Mir wurde plötzlich kalt. Ich war gerade erst aus einem Land zurück gekehrt, in dem man sich ständig an barbarische Götter wandte, die sich sehr eifrig um die Angelegenheiten der Menschen kümmerten - je blutiger, desto besser.
    »Und du weißt, wie du diese Gottheiten deinem Willen gefügig machst?« fragte ich.
    »So ist es«, erklärte er stolz. Ich stand auf. »Tribun, du bewegst dich da auf einem schmalen Grat. Gegen derartige Praktiken gibt es Gesetze Gesetze, die schreckliche Strafen dafür vorsehen.«
    »Sei kein Narr, Metellus!« rief er, seine freundliche Maske fallen lassend. »Wir sind bereit, Crassus, wenn nötig, mit drastischen Mitteln aufzuhalten, und wenn du nicht für uns bist, müssen wir dich als unseren Feind betrachten.«
    Die übrigen Männer wirkten verlegen, als schämten sie sich über die Reaktion ihres Kollegen. »Es besteht kein Grund, mit dem Haus Metellus zu brechen«, sagte Silvius in dem Versuch, die Wogen zu glätten. »Der Senator ist ganz offensichtlich gegen Crassus...«
    »Schließ dich uns an, Metellus«, sagte Ateius, »oder erleide dieselben Konsequenzen wie alle anderen.«
    »Darf ich das als Drohung betrachten?« fragte ich kühl.
    »Es ist eine Warnung, die ich dir guten Glaubens als Tribun und Priester zukommen lasse«, sagte er mit derselben wahnsinnigen Gewißheit, mit der er schon die ganze Zeit geredet hatte. Tribun und Priester') Meines Wissens brachte das Amt des Tribuns keine priesterlichen Pflichten mit sich. Der Mann war offensichtlich verrückt. Aber Wahnsinn war an sich kein Hindernis für eine erfolgreiche politische Karriere, wie man am Beispiel von Clodius sieht.
    »Ich wünsche noch einen guten Tag. Ich habe dich den Bürgern schon viel zu lange vor enthalten.« Mit, wie ich hoffte, beeindruckender Würde schritt ich hinaus. Hinter mir hörte ich erregtes Gemurmel wie aus einem umgestürzten Bienenkorb. Es war eines der merkwürdigsten Gespräche, das ich in meiner Karriere voller Merkwürdigkeiten geführt hatte. Am Abend beschrieb ich Julia die bizarre Szene.
    »Das sollte dich nicht beunruhigen«, sagte sie schläfrig. »Der Mann ist von Sinnen, und in weniger als drei Monaten wird er nicht mehr in Amt und Würden sein.« »Trotzdem mißfällt mir der Gedanke, daß mir ein amtierender Tribun die Feindschaft erklärt; verrückte Feinde sind oft die schlimmsten, weil sie unberechenbar sind.«
    »Ohne Amt wird er völlig harmlos sein«, beharrte sie. »Und danach werden dir deine geistig gesunden Feinde mehr als genug Sorgen machen.«
    Was sie sagte, klang vernünftig, doch ich hatte das bestimmte Gefühl, daß Vernunft in dieser Sache keine große Rolle spielen würde, und ich sollte recht behalten. In jener Nacht schlief ich sehr unruhig.

IV
    Und so dämmerte der große Tag. Da es einer der wichtigsten Tage im langen Verlauf jener quälenden Jahre war, geziemt es sich, ihn einigermaßen detailliert zu schildern. Um so mehr, als er

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