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Der Fluch vom Valle della Luna

Der Fluch vom Valle della Luna

Titel: Der Fluch vom Valle della Luna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosa Cerrato
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offizielle Miene aus seinem Gesicht und machte einem strahlenden Lächeln Platz. Ohne etwas zu sagen, kam er hinter ihren Schreibtisch und küsste sie auf die Lippen. Stirnrunzelnd ließ sie ihn gewähren. Dann setzte er sich ihr mit verliebter Miene gegenüber, die mit seinem sonst so sicheren Auftreten nur schwer vereinbar war und die sie glücklich und verlegen machte. Sogleich war er wieder ernst.
    »Sie haben ihn geschnappt, den aus der Disko, zusammen mit ein paar Komplizen. In der Via Cantore in Sampierdarena. Zumindest das Problem hätten wir erst mal vom Tisch.«
    Sie nickte kurz und blickte ihn mit leicht zur Seite geneigtem Kopf an. Er faltete die Hände, schlug die Beine übereinander und fragte leise: »Sehen wir uns heute Abend? Kommst du zu mir?«
    Seine Stimme war wie ein Streicheln auf nackter Haut, und Nelly verspürte einen sanften Schauder. Dieser Mann macht mich einfach fertig. So was ist mir noch nie passiert. Ich muss total durchgeknallt sein, dass ich dieses doppelte Spielchen spiele, dabei fand ich das immer das Allerletzte. Das wird böse enden, ich weiß es. Ich werde sie beide verlieren, und vor allem verliere ich den Respekt vor mir selbst ... Sie beugte sich vor, den Blick halb auf ihn und halb auf die Tür hinter ihm gerichtet, an der ab und zu Valerias Silhouette vorbeihuschte, und streichelte ihm über die stoppelige Wange. Die Berührung ließ sie abermals erschaudern.
    »Tut mir leid, Tano. Heute Abend kommt Mau nach Hause, zum ersten Mal seit Monaten, wir müssen es also verschieben.«
    Sie schluckte. Er presste kaum merklich die Lippen zusammen. Nur seine Augen waren eine Spur dunkler geworden und verrieten seinen Unwillen.
    »Kein Problem. Verstehe ich bestens. Grüß ihn von mir.«
    Er blieb sitzen. Was gab es noch?
    »Der Fall Anselmo Pisu, wenn es denn je ein Fall war, ist so gut wie abgeschlossen. Keine Spuren, keine Indizien, nichts. Die Hypothese mit dem Prozess erschien mir von Anfang an sehr gewagt. Das Verfahren ist noch nicht mal eröffnet, und schon machen sie sich die Mühe, den Verteidiger aus dem Verkehr zu ziehen? Ich habe ein paar Freunde beim Geheimdienst. Die vermuten offenbar durchaus einen Zusammenhang, auch wenn sie wie üblich alles daransetzen, die Sache unter den Teppich zu kehren. Aber ich gebe nichts auf diese Theorie. Dann schon eher der durchgedrehte Sohn, der selbst nicht sagen konnte, wo er war, als der Vater die Treppe runtergesegelt ist. Was meinst du?«
    Nelly sagte nichts. Sie hatte die Nase voll von den Pisus.
    »Selbst, wenn er’s gewesen wäre. Jetzt ist er jedenfalls für eine ganze Weile weg vom Fenster. Aber frustrierend ist es trotzdem, dass Gioia Innocenti vielleicht noch am Leben sein könnte. Womöglich werden wir nie erfahren, was tatsächlich passiert ist.«
    Sie redeten noch ein paar Minuten, dann sah Tano auf die Uhr, verabschiedete sich und verschwand. Nur der leichte Moschusduft seines Aftershaves blieb zurück, den Nelly – dämliche, alberne Kuh – witternd einatmete wie ein Jagdhund.
    Langsam neigte sich der Tag dem Ende. Nelly machte sich zeitig auf den Heimweg und überlegte, wie lange der Braten wohl brauchte. Sie kaufte Bier und Fruchtsäfte und eine Schokoladeneistorte und kam völlig außer Atem vor der Wohnungstür an, wo sie die höllisch schweren Einkaufstüten abstellte und leise fluchend ihren Ledersack nach dem Schlüssel durchwühlte. Die kleine Diele war erleuchtet. Nelly machte ein verdutztes Gesicht. Dann entdeckte sie Maus abgenutzte Reisetasche in der Ecke und auf dem Stuhl eine Zeitung und eine Plastiktüte mit Dreckwäsche. Sie riss die Zimmertür ihres Sohnes auf – dunkel. Die Katzen waren aufgeregter als sonst, sie miauten zum Gotterbarmen. Nelly meinte zu verstehen, was sie sagten: Er ist da, er ist da ... Sie knipste das Küchenlicht an und sah, was sie erwartet hatte: einen Zettel auf dem Tisch.
    »Ma, sei nicht böse, ich bin früher gekommen als gedacht und gehe heute Abend mit Giangi und Baffo zu einem Konzert von Paura im Buridda. Martino und seine Band Bedda Matre spielen auch. Warte nicht auf mich, es wird spät. Wir sehen uns morgen. Kuss. Mau.«
    Alles wie gewohnt. Nur dass sie sich seit Oktober nicht gesehen hatten, und jetzt war März. Eine blinde Wut stieg in ihr auf, gefolgt von einem dermaßen verzweifelten Verlassenheitsgefühl, dass ihr die Tränen in die Augen stiegen. Blöde Kuh. Na klar, er ist seit Ewigkeiten weg, will seine Freunde sehen, was hast du denn gedacht, liebe Nelly.

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