Der Fluch von Colonsay
Bertie mit seiner Hand über die leere Serviette, dann steckte er sie in seine Tasche.
»Sie wird uns nicht verraten«, sagte er, aber es klang wenig überzeugt. »Sie will uns nur Angst einjagen.«
»Was wird dein Vater machen?«, fragte Alice atemlos. Sie glaubte ihm kein Wort.
»Mich sofort wieder zur Schule zurückschicken, vermute ich.« Seine Stimme klang hohl.
»Es ist meine Schuld. Ich werde sagen, dass es meine Schuld ist. Sie müssen mir glauben, Bertie. Ich sorge dafür, dass sie mir glauben.«
Er lächelte sie freundlich an, aber sie konnte deutlich sehen, dass er ihr nicht glaubte. Sein Schicksal war besiegelt, und er akzeptierte das ohne Gegenwehr. Bertie war keine Kämpfernatur.
Nun, Alice würde für ihn kämpfen. Sie fühlte die Kraft in sich aufsteigen. Auf ihre Art glich sie Ada. Sie hatte Geheimnisse und wusste sie zu bewahren. Jetzt würde sie sie einsetzen, um zu erreichen, was sie wollte.
***
Rosamund erwachte, weil es mit einem Mal völlig still war. Kein einziger Laut ertönte – weder draußen, noch drinnen. Sie lag im Bett und starrte ins Dunkel. Ob ein Ausbruch auf dem Dachboden bevorstand? Oder war der Krach, der sie seit dem Zeitpunkt ihrer Ankunft erschreckt hatte, vielleicht nur ein Mittel gewesen, um Aufmerksamkeit zu erregen? Wenn ja, dann hatte er seinen Zweck erfüllt.
Gary war bald gegangen, und zwar widerstrebend, wie es Rosamund schien. Sie hatte ihm eigentlich den Besuch von Marks Anwalt schildern wollen, doch es ergab sich keine passende Gelegenheit dazu. Sie würde mit ihm sprechen, wenn sie zusammen zu Enderby gingen. Vielleicht hatte Gary eine Idee, wie sie Marks Versuche abwehren könnte, ihr Colonsay wegzunehmen.
Rosamund drehte sich im Bett um und starrte auf die Silhouette der Fenster hinter den Vorhängen. Sie war auf einmal hellwach. Also stand sie auf und streifte sich bibbernd ein paar Klamotten über.
Am Ende des Flurs leuchtete das Buntglasfenster sanft. Rosamund erinnerte sich, dass Frederick sich um seine Reparatur kümmern wollte. Sie hielt das für dringend notwendig, obwohl ihr nicht klar war, wie sie für die Kosten aufkommen sollte, wenn Mark ihr die finanzielle Unterstützung entzog.
Rosamund ging nach unten. Die Stufen quietschten leise unter ihren Füßen. In der Bibliothek war noch Glut im Kamin. Sie brauchte nur ein paar Minuten und ein paar kleine Holzstücke, bis die Flammen wieder knisterten. Sie kniete eine Weile vor dem Feuer und wärmte ihre kalten Finger, dann wandte sie sich der Schachtel mit Adas Papieren zu.
Rosamund wusste, dass sie sie durchsehen musste. Vor allem wollte sie nichts übersehen, was ihr helfen konnte, das Rätsel um Colonsay zu lösen. Sie setzte sich bequem hin, ihr Rücken lehnte an der Seite eines Ledersessels, die Beine hatte sie untergeschlagen. Das Fotoalbum schob sie zur Seite, genau wie den Terminkalender und alle anderen Papiere, die sie schon durchgesehen hatte. Da fiel ihr ein Bündel Briefe ins Auge. Es war mit einem rauen Faden fest zusammengeschnürt. Sie benötigte ein paar Minuten, um den Knoten aufzubekommen.
Ein paar Briefe von ihrem Vater aus den 1950ern, der Ada umständlich darum bat, ihm Geld zu leihen. Den wechselnden Absenderadressen nach befand er sich zu dieser Zeit auf Reisen. Dann gab es ein Schriftstück ihres Vaters aus der Zeit des Kriegs. Er machte sich über die Verpflegung in der Armee lustig und klang wie ein überdrehter Schuljunge. Rosamund fand das ziemlich rührend.
Als Nächstes zog sie ein ziemlich schmuddeliges Blatt Papier aus dem Stapel. Es war unliniert, mit dem 2. April 1920 datiert und in einem Ort namens Tinyutin abgeschickt.
Liebe Miss Ada,
erinnern Sie sich noch an mich? Ich frage so, weil ich mich immer an Sie und Ihre Familie erinnern werde. Es sind harte Zeiten. Sie haben gesagt, Sie hofften, ich würde verhungern, aber ich glaube nicht, dass Sie das wirklich gewollt hätten. Ich hätte mir ein paar Kröten verdienen können, wenn ich einem von diesen Schmierblättern alles erzählt hätte, aber das wollte ich nicht. Das Geld wäre mir willkommen gewesen, aber Jonah hätte etwas dagegen gehabt. Er wäre auch dagegen gewesen, dass ich Sie um Hilfe bitte, aber die Zeiten sind hart, wie ich schon sagte. Sie wissen, wo er steckt, nicht wahr? Aber sicher wissen Sie das. So wie Sie alles andere wissen.
In diesem Tonfall ging es noch ein paar Zeilen weiter. Es ging um die Wetterlage und um die Getreideernte, die am Murray River erwartet wurde. Der Brief war mit
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